Räude: neues Pseudo-Alibi für die Fuchsjagd

Experten: Jagd führt zur Verbreitung der Räude
Kurzfassung: Von Dag Frommhold. Während Tier- und Naturschützer mehr Schutz für Meister Reineke fordern, behaupten Jagdverbände, man müsse Füchse intensiv bejagen. In jüngster Zeit führen sie als Argument dafür immer mehr die Bekämpfung der Räude ins Feld. Einer kritischen Betrachtung hält diese Sichtweise jedoch nicht statt. Tatsächlich dürfte es vielmehr die Lust an der Fuchsjagd sein, die Waidmänner dazu motiviert, gegen den Schutz von Füchsen Sturm zu laufen.
Räude: neues Pseudo-Alibi für die Fuchsjagd Mehr Jagd - mehr junge Füchse
[Wildtierschutz Deutschland e.V. - 28.06.2013] Mit besonders harten Bandagen wird die Auseinandersetzung um die Fuchsjagd derzeit im Saarland geführt: Dort gilt seit 2010 eine sechsmonatige Schonzeit für Füchse. Vielen Jägern ist selbst dieser vorübergehende Schutz ihres Beutekonkurrenten Reineke ein Dorn im Auge. Sie argumentieren, Füchse hätten sich seit Einführung der Jagdruhe stark vermehrt, wodurch nun vermehrt die Räude auftrete.

Allerdings gibt es weder für die behauptete Zunahme der Fuchspopulation noch für eine eventuelle Ausbreitung der Räude überhaupt belastbare Daten. Die Anhaltspunkte, die tatsächlich existieren, weisen eher auf das Gegenteil hin: Die Anzahl der getöteten Füchse ist seit Inkrafttreten der Schonzeit deutlich gesunken. Wurden 2009/2010 im Saarland noch 4.701 Füchse von Jägern getötet, so waren es 2010/2011 nur noch 3.559 und 2011/2012 lediglich 2.890 Tiere. Auch von Wildtierstationen wurde gemeldet, dass tendenziell weniger verwaiste Jungfüchse abgegeben wurden.

Als Mittel zur Bekämpfung von Wildtierseuchen ist die Jagd gerade beim Fuchs eher kontraproduktiv: Bestandsverluste durch die Jagd lassen die Geburtenrate steigen, dadurch wächst der Anteil an Jungfüchsen in stark bejagten Revieren. Da Jungfüchse im Herbst auf Reviersuche gehen und dabei oft kilometerweit wandern, sind sie es meist, die Krankheiten erst in neue Gebiete einschleppen.

Fakt ist zudem, dass die Räude schon seit Jahrzehnten in unregelmäßigen Abständen lokal aufflackert. Dabei zeigt sich, anders, als etwa vom Landesjagdverband Saar behauptet, dass vor allem geschwächte Füchse besonders anfällig für eine Infektion sind. Neben Parasiten, Krankheiten oder Nahrungsmangel kann auch hoher Jagddruck die Konstitution der Tiere beeinträchtigen. So zeigen verschiedene Studien, dass beim Tod eines Fuchsrüden, der seine Familie mit Nahrung versorgt, der körperliche Zustand sowohl der Füchsin als auch der Welpen erheblich beeinträchtigt wird. Auch dies legt eine kontraproduktive Wirkung der Fuchsbejagung nahe.

Mittlerweile kann übrigens als gesichert gelten, dass sich vielerorts Fuchsbestände herausbilden, die weitgehend gegen die Räude resistent sind. Nur bei einem kleinen Teil dieser Tiere treten tatsächlich Symptome auf. Jäger können einem Fuchs eine eventuelle Räuderesistenz jedoch nicht ansehen und töten somit wahllose resistente Tiere ebenso wie für den Parasiten anfällige. Infolgedessen wird der sich aus der Resistenz ergebende Überlebensvorteil eliminiert, was abermals dem Ziel der Reduktion von Räudefällen in Fuchspopulationen zuwiderlaufen dürfte.

Auch in Baden-Württemberg moniert der Jagdverband seit geraumer Zeit angeblich viel zu hohe Fuchsdichten und führt ins Feld, dass eine intensive Bejagung der Fuchspopulation für die Eindämmung der Räude unerlässlich sei. Einzelne Räudefälle, öffentlichkeitswirksam in Tageszeitungen platziert, erwecken für den unbedarften Bürger den Eindruck eines massiven Befalls der Füchse.

Wirft man jedoch einen Blick auf die Fakten, relativieren sich die Warnungen der Jägerschaft dramatisch: Studien zeigten, dass von 2.481 Füchsen nur etwa drei Prozent tatsächlich in Kontakt mit Räudemilben gekommen waren. Als Haut und Fell dieser etwa 80 Tiere genauer untersucht wurden, stellte sich heraus, dass nur vier von ihnen tatsächlich äußere Markmale einer Räudeerkrankung aufwiesen. Hochgerechnet bedeutet dies, dass von 10.000 baden-württembergischen Füchsen etwa 300 räudepositiv sind und gerade einmal 15 von ihnen auch Symptome zeigen.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll das tatsächliche Ausmaß des vermeintlichen "Räudeproblems" und legen nahe, dass die Jagdverbände die Räude wie zuvor Tollwut und Fuchsbandwurm instrumentalisieren, um in der Bevölkerung Rückhalt für die Bejagung des Fuchses im allgemeinen und die Rücknahme der Schonzeit im Besonderen zu gewinnen.

Dass es bei der Fuchsjagd letztlich um etwas ganz anderes als den Kampf gegen Wildtierseuchen geht, zeigen beispielsweise Jagdforen im Internet, in den Jäger sich stolz mit ihrer blutigen Beute - ob Altfuchs oder Welpe - präsentieren. Vor den Augen einer immer kritischeren Öffentlichkeit dürfte Jagdlust aber kaum als Argument für die massenhafte Tötung von Füchsen bestehen können.

Literatur:
- Constantin, E.-M. (2005): Epidemiologische Untersuchung zur Verbreitung der Räude beim Rotfuchs (Vulpes vulpes) in Baden-Württemberg. Dissertation, Berlin.
- Davidson, R.; Bornstein, S.; Handelanda, K. (2008): Long-term study of Sarcoptes scabiei infection in Norwegian red foxes (Vulpes vulpes) indicating host/parasite adaptation. Veterinary Parasitology, Vol. 267(3-4): .
- Vergara, V. (2001): Comparison of parental roles in male and female Red Foxes, Vulpes vulpes, in southern Ontario. Canadian Field Naturalist, Vol. 115(1)
- Zabel, C.J. (1986): Reproductive Behavior of the Red Fox (Vulpes vulpes): A Longitudinal Study of an Island Population
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