19.11.2014 12:13 Uhr in Gesellschaft & Familie von Universität Rostock

Arme Menschen wollen von der Gesellschaft eingebunden werden

Kurzfassung: Arme Menschen wollen von der Gesellschaft eingebunden werdenWie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte, galten im vergangenen Jahr 2013 bundesweit rund 12,3 Millionen Menschen in ...
[Universität Rostock - 19.11.2014] Arme Menschen wollen von der Gesellschaft eingebunden werden
Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte, galten im vergangenen Jahr 2013 bundesweit rund 12,3 Millionen Menschen in Deutschland von Armut gefährdet. Armutsgefährdung (oder "relative Armut") beginnt in Deutschland bei einem Monatseinkommen von 892 Euro netto für einen Single und bei 1873 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Grundlage der Berechnungen ist die Definition der Europäischen Union, nach der diejenigen Menschen als armutsgefährdet gelten, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung haben.
Das Statistische Bundesamt hat aktuell auch ermittelt, wo die Armutsgefährdung älterer Menschen ab 65 in Deutschland am größten ist. Gemessen am Bundesdurchschnitt sind die Unterschiede zwischen Ost und West nach wie vor groß, aber auch im Westen gibt es Armuts-Metropolen. In Mecklenburg-Vorpommern (M-V) liegt die Armutsquote der über 65-Jährigen bei 14,7 Prozent. Für die neuen Bundesländer ist für diese Altersgruppe eine Armutsquote von 12,5 Prozent ermittelt worden. Nahezu jeder Fünfte ist in M-V ist somit von Armut bedroht. Für die alten Bundesländer ist die Armutsquote der über 65-Jährigen mit 14,8 Prozent ausgewiesen, liegt also mit 2,3 Prozent höher als in den neuen Ländern.
"Die Armut in M-V hat jedoch viele Gesichter", sagt Soziologe André Knabe vom Institut für Soziologie und Demographie (ISD) der Universität Rostock. Im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt Mecklenburg-Vorpommern (AWO M-V) und unter der Leitung von Prof. Dr. Peter A. Berger und Dr. Andreas Klärner untersucht der 29-jährige Sozialwissenschaftler in einem Team, wie konkret die Armut in M-V sich zeigt und wie die Betroffenen damit umgehen. Dazu führten er und seine Kolleginnen und Kollegen zahlreiche Gespräche in Rostock, aber auch im ländlichen Raum, darunter Hartz IV-Empfänger, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, Rentner und Migranten. "Man sieht es den Menschen nicht an der Nasenspitze an, ob sie arm sind", sagt Knabe. Und: "Armut lässt sich nicht objektiv messen". Es sei nicht nur die materielle Armut, sie werde gleichwohl als Armut an sozialer Anerkennung und Teilhabe erlebt. "Wir beobachten eine große Sehnsucht der Menschen, sich gesellschaftlich einzubringen", sagt Knabe. "Man braucht aber dazu Strukturen", hat der Wissenschaftler erfahren. Als positives Beispiel nennt er Stadtteil- und Begegnungszentren. "Nichts zu tun und keine Aufgabe zu haben, erst das verursacht Probleme, die letztlich auch zu gesundheitlichen Beschwerden führen können".
Knabe hat sich beispielsweise von Betroffenen sensibel von ihrem Tagesablauf oder von ihrem Wochenbeginn erzählen lassen. "Wir wollten wissen, wie lebt es sich arm und wie bewahrt man sich seine Würde, wenn man zur Gruppe am Rande der Gesellschaft gehört", berichtet der Wissenschaftler. Er hat dabei erfahren: Man grenzt sich auch nach unten ab und betont die soziale Einbindung, die den meisten besonders wichtig ist. Viele würden sagen, ich bin ja gar nicht arm, andere sind noch viel ärmer. Das meinten vor allem jene, die ein Ehrenamt, also eine soziale Rolle und somit einen Anknüpfungspunkt haben. "Durch alternative Strukturen erfährt man Anerkennung, wenn die Arbeit weg ist".
Das tägliche Brot und somit die Ernährung ist für Menschen in Armut der größte Ausgabeposten. Doch da, so erfuhren die Rostocker Forscher, würde sehr gespart. Ob man die ganze Woche Nudeln mit Tomaten-Sauce isst, das sieht ja keiner. Viele kaufen lieber gute Kleidung, die sie sich im Prinzip nicht leisten können. Jüngere würden sich hingegen Geld fürs Internet und Smartphone vom Essen absparen. "Facebook ist so etwas wie der Anker in die Welt", hat Knabe von ihnen immer wieder gehört. Da müsse man nicht die vielleicht spartanisch eingerichtete Wohnung zeigen. Oft bestünden über Facebook Kontakte zu alten Schulfreunden, die man in der "realen" Welt nicht mehr sehe.
Die größte Unzufriedenheit würden daher vor allem Leute zeigen, die gar keine oder sehr kleine Netzwerke und nur Kontakte zu Menschen in einer ähnlichen Lage haben.
Deshalb wollen die Rostocker Forscher in einem nächsten Schritt herausfinden, welche Aufgaben die Politik lösen muss, um Betroffene aktiv in die Gesellschaft einzubinden. Text: Wolfgang Thiel
André Knabe, M.Sc.
Institut für Soziologie und Demographie
Universität Rostock
Ulmenstr. 69
D-18057 Rostock
Tel. +(0)381 498-4021
www.wiwi.uni-rostock.de/soziologie/makrosoziologie/andre-knabe/

Universität Rostock
Universitätsplatz 1
18051 Rostock
Deutschland
Telefon: +49-381-4980
Mail: pressestelle@uni-rostock.de
URL: http://www.uni-rostock.de
Weitere Informationen
Universität Rostock
Die ALMA MATER ROSTOCHIENSIS, gegründet 1419, ist eine der ältesten Universitäten Deutschlands und die älteste im Ostseeraum.Mit der Juristischen und der Medizinischen Fakultät sowie der Facultas artium, der späteren Philosophischen Fakultät, nahm die Universität seinerzeit den Lehrbetrieb auf. Die Theologische Fakultät vervollständigte erst ab 1432 den Rahmen der vier Traditionsfakultäten eines "studium generale".Blicken wir zurück auf die nunmehr fast 580jährige Universitätsgeschichte und benennen für die Gesamtdauer ein Generalthema, so wäre dies wohl ohne Zweifel das wechselvolle Ringen um die Rechte auf Autonomie sowie um die Freiheit der Lehre und des Meinungsstreits. Sie waren in der Vergangenheit gegen vielfältige kirchliche oder weltliche Einflüsse zu verteidigen.So hat bis heute die verpflichtende Sentenz "DOCTRINA MULTIPLEX - VERITAS UNA" über dem Portal des 130 Jahre alten Hauptgebäudes nichts an Aktualität eingebüßt. Sie will besagen, daß an dieser Stätte des Geistes im Sinne der Freiheit von Forschung und Lehre viele Lehrmeinungen um der einen Wahrheit willen vertreten sein mögen. Ob am Ende eines Studiums das Diplom, der Magisterabschluß oder das Staatsexamen steht, alle Studiengänge, die an der Rostocker Universität belegt werden können, sind auf die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und des Arbeitsmarktes ausgerichtet. Unter dem Leitspruch "TRADITIO et INNOVATIO" wird jungen Leuten in Lehre und Forschung ein außerordentlich breites Fächerspektrum und eine zukunftsorientierte Ausbildung angeboten. Das günstige und damit intensive Betreuungsverhältnis zwischen Studenten und Lehrkräften sowie die moderne Ausstattung der Laboratorien sichern den Studenten die Möglichkeit, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit zu beenden. Die Ende 1993 in Rostock gegründete Hochschule für Musik und Theater ist eine sinnvolle Ergänzung des Studienangebotes der Universität und eine Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt.Was Rostock als Hochschulstandort für Lehrende und Studierende gleichermaßen so attraktiv und sympathisch macht, ist nicht nur die Nähe der Ostsee und die gute Verkehrsanbindung, sondern auch die Mischung aus Großstadt und Überschaubarkeit, aus Wirtschaftszentrum und Naturraum sowie die sich zugunsten einer Universitäts- und Hansestadt entwickelnde Infrastruktur.Das Freizeitangebot für Studenten kann sich sehen lassen. Mehr als zehn Studentenclubs bieten ein vielfältiges Angebot, das von Livemusik, Literatur, Film, Getränken, Frühstückskaffeee, Gesprächen, Tanz bis zum "Man trifft sich" reicht. Alle Clubs verwalten sich selbst und freuen sich über neue Mitglieder. Studierende und Mitarbeiter, die selbst gerne musizieren, finden jederzeit Aufnahme im Universitätschor und im Collegium musicum. Der Bereich Studentensport und die Hochschulsportgemeinschaft bieten in über 20 Sportarten und vielen Kursen für jeden etwas an.
Universität Rostock,
, 18051 Rostock , Deutschland
Tel.: +49-381-4980; http://www.uni-rostock.de
Weitere Meldungen dieses Unternehmens
Erfolgreiche Pressearbeit eBook
Pressearbeit
Eine Pflichtlektüre für mehr Sichtbarkeit durch Pressemitteilungen.
Pressekontakt

Universität Rostock

18051 Rostock
Deutschland

E-Mail:
Web:
Tel:
+49-381-4980
Fax:
Drucken Weiterempfehlen PDF
Schlagworte
Permanentlinks https://www.prmaximus.de/117159

https://www.prmaximus.de/pressefach/universität-rostock-pressefach.html
Die Pressemeldung "Arme Menschen wollen von der Gesellschaft eingebunden werden" unterliegt dem Urheberrecht. Jegliche Verwendung dieses Textes, auch auszugsweise, erfordert die vorherige schriftliche Erlaubnis des Autors. Autor der Pressemeldung "Arme Menschen wollen von der Gesellschaft eingebunden werden" ist Universität Rostock, vertreten durch .