14.05.2014 16:11 Uhr in Gesellschaft & Familie von VolkswagenStiftung

Wird die Welt immer ungleicher?

Kurzfassung: Wird die Welt immer ungleicher?Die Entwicklung von globaler Ungleichheit und welche Folgen sich daraus für uns ergeben.Veranstaltungsbericht zur Public Lecture im Rahmen der Herrenhäuser Konferenz " ...
[VolkswagenStiftung - 14.05.2014] Wird die Welt immer ungleicher?

Die Entwicklung von globaler Ungleichheit und welche Folgen sich daraus für uns ergeben.
Veranstaltungsbericht zur Public Lecture im Rahmen der Herrenhäuser Konferenz "Re-Thinking Social Inequality" am 12. Mai 2014:
"National and Global Inequalities: Current Trends and Possible Future Developments" von Prof. Branko Milanovic.
Wie kann Ungleichheit verstanden werden?
Nimmt die globale Ungleichheit ab oder zu? Welche Einkommensgruppen haben in den letzten 25 Jahren gewonnen bzw. verloren? Was erklärt eigentlich internationale Einkommensunterschiede und welche politischen Implikationen ergeben sich aus diesen Trends? Diesen Fragen widmete sich Prof. Branko Milanovic, Professor an der City University of New York und langjähriger Chefökonom der Weltbank, in seinem öffentlichen Vortrag am Eröffnungsabend der Herrenhäuser Konferenz "Re-Thinking Social Inequality".
Ungleichheit lässt sich in drei Formen differenzieren: innerhalb von Ländern, zwischen Ländern sowie als globale Ungleichheit, die quasi das Produkt aus den zweien darstellt. Bisher wurde globale Ungleichheit häufig durch die Unterschiede in den Durchschnittseinkommen zwischen Ländern angezeigt. Dadurch blieb jedoch die Verteilung innerhalb der Länder außer Acht. Milanovic hingegen nutzt die Daten aus Haushaltsumfragen für seine Analysen, insbesondere das Einkommen, welches den über den Globus verteilten Haushalten jeweils zur Verfügung steht. Dadurch kann ein deutlich genaueres Bild von Ungleichheit gezeichnet werden, da nicht mehr die Durchschnittseinkommen, sondern die Einkommensverteilungen in den Ländern verglichen werden können. Hierzu dient u.a. der Gini-Index - eine Maßzahl, die zwischen 0 (vollkommene Gleichheit) und 1 (absolute Ungleichheit) liegt und die von Milanovic genauer als üblich berechnet wird.
Die Länder der Welt werden immer ungleicher
Auf dieser Grundlage kam er zu deutlichen Befunden über die Einkommensverteilung in und zwischen Ländern während der letzten 25 Jahre. In fast allen Ländern nahm die Ungleichheit zu: in China verdoppelte sie sich, aber auch in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien ging die Schere dramatisch auseinander. Im Durchschnitt stieg die Ungleichheit in allen Ländern zwischen 1988 und 2008 um 2,5%. Hierbei gilt es aber, die großen Unterschiede in den jeweiligen Ungleichheitsniveaus zu beachten: Die ärmsten Amerikaner haben immer noch das globale Durchschnittseinkommen zur Verfügung. Die Einkommensverteilung innerhalb Brasiliens hingegen spiegelt die globale Ungleichheit komplett ab: die ärmsten Brasilianer sind auch die ärmsten Weltbürger, während die Superreichen in Brasilien zu den reichsten Menschen der Welt gehören. Überall auf der Welt gingen Einkommenszuwächse mit einer ungleicheren Verteilung einher. Mehr als 50% des globalen Reichtumswachstum zwischen 1988 und 2008 kam den obersten 5% der Einkommenspyramide zugute.
Sinkende globale Ungleichheit
Betrachtet man jedoch Ungleichheit als globales Phänomen, so nimmt sie zum ersten Mal in der Geschichte ab. Während also Ungleichheit innerhalb von Ländern zunimmt, reduziert sich die Ungleichheit zwischen Ländern langsam aber kontinuierlich. Dafür gibt es einen zentralen Grund: Der Aufstieg Chinas, gefolgt vom Aufschwung in Indien und anderen Schwellenländern wie Indonesien. Wenn also in der Welt Ungleichheit steigt, dann nur innerhalb von Ländern. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, dass die globale Ungleichheit immer noch auf einem sehr hohen Niveau ist. Die Analyse haushaltsbasierter Daten zeigt auf, dass sie mit einem Gini-Wert von 0,71 nicht nur höher ist als bisher angenommen, sondern dass sie auch höher ist als die Ungleichheit in Brasilien - mit einem Gini-Index von 0,6 eines der ungleichsten Länder der Erde.
Neue und alte Mittelklassen
Welche Einkommensgruppen gehören nun zu den Gewinnern der letzten 25 Jahre? Den höchsten Einkommensanstieg verzeichneten die "neuen Mittelklassen" Chinas und anderer Schwellenländer, deren Einkommen zwischen 1988 und 2008 um ca. 75% zunahmen - wobei diese deutlich geringer als die der "reichen" Mittelklassen der Industrieländer sind. Eine andere Gruppe von Gewinnern sind die Superreichen, also die obersten 1% der globalen Einkommenspyramide: ihr Reichtum nahm im gleichen Zeitraum um fast 70% zu. Die Verlierer sind zum einen die absolut Ärmsten der Welt, die in den 20 Jahren gerade einmal einen Einkommenszuwachs von 10% erfahren haben, zum anderen die Mittelklassen in den Industrieländern, deren Einkommen gar nicht stiegen. Dahinter verbirgt sich die zunehmende Ungleichheit innerhalb dieser reichen Länder in denen stets steigenden Spitzeneinkommen mit stagnierenden mittleren Einkommen einhergehen.
Effektive Mittel zur Bekämpfung globaler Ungleichheit
Auf der Grundlage dieser Befunde zeigte Branko Milanovic einige politische Implikationen auf. Ein zentraler Faktor, der die globale Verteilung von Einkommen maßgeblich bestimmt, ist Staatsbürgerschaft. Global gesehen beruhen 10% unseres Einkommens auf individueller Leistung, die restlichen 90% alleine auf dem glücklichen Umstand, in einem reichen Land zu leben. Einkommen kommt daher einer Standortrente gleich. Wenn allerdings Ungleichheit stark räumlich determiniert ist, ist globale Chancengleichheit kaum zu erzielen. Selbst wenn alle Ungleichheiten innerhalb aller Länder beseitigt wären, bliebe die globale Ungleichheit mit einem Gini-Wert von 0.68 noch immer eklatant. Wer die globale Ungleichheit reduzieren will, muss also das Wachstum von armen Ländern unterstützen oder die Hindernisse für globale Migration abbauen. Die Wanderungen von armen zu reichen Ländern ist ein zentraler Faktor für mehr Einkommensgleichheit. Die Vereinfachung von internationalen Wanderungsbewegungen wäre daher eine effektive Entwicklungspolitik, weil sie das individuelle Einkommen von armen Menschen unmittelbar erhöht. Milanovic ist sich jedoch sicher, dass die führenden Wirtschaftsnationen solch eine Art von Entwicklungspolitik niemals unterstützen werden.
Politische Auswirkungen
Der Trend zur stärkeren Einkommensspreizung in den letzten 25 Jahren führt Milanovic zufolge zu einer tendenziellen Aushöhlung der reichen Mittelklassen. Wie werden diese Gruppen reagieren, wenn deren Einkommen weiterhin stagnieren? Werden sie weiterhin das Projekt der Globalisierung unterstützen? Milanovic sieht hier zwei Gefahren. Zum einen führt die zunehmende Konzentration des Reichtums an der obersten Spitze der Einkommenshierarchie zu plutokratischen Verhältnissen, die bereits jetzt in den Vereinigten Staaten zu beobachten sind und eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Zum anderen steigt die Neigung der Mittelklassen zu populistischen Reaktionen. Es ist daher kein Zufall, dass gerade in sozialdemokratischen Ländern wie den Niederlanden oder Dänemark, in denen die Mitteklasse ein tragendes Element ist bzw. war, fremdenfeindliche Ressentiments stärker zu vernehmen sind.

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