16.07.2013 15:27 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von VolkswagenStiftung

Vom Schwachen zum Schutzwürdigen – Verwobene Modernitäten in Ostasien

Kurzfassung: Vom Schwachen zum Schutzwürdigen - Verwobene Modernitäten in OstasienVolkswagenStiftung unterstützt Forschungsvorhaben am Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien mit 1,37 Mio. EuroFRANKFUR ...
[VolkswagenStiftung - 16.07.2013] Vom Schwachen zum Schutzwürdigen - Verwobene Modernitäten in Ostasien

VolkswagenStiftung unterstützt Forschungsvorhaben am Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien mit 1,37 Mio. Euro
FRANKFURT. Jenseits wirtschaftlicher Liberalisierungsschritte wird in Japan und China immer stärker öffentlich darüber diskutiert, wie schwache Gruppen und Interessen geschützt werden können. Worin unterscheiden sich diese Diskurse in Ostasien von denen in der westlichen Welt, wo sind Ähnlichkeiten auszumachen? Das werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien (IZO) der Goethe-Universität in den nächsten drei Jahren genauer erforschen. Die VolkswagenStiftung unterstützt ihr Forschungsvorhaben in der Initiative "Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft" mit 1,37 Mio. Euro. Diese freudige Nachricht traf jetzt in Frankfurt ein.
"Unsere Forschung soll einen innovativen Beitrag zum Dialog zwischen den Regionalstudien und den verschiedenen Disziplinen leisten", so der Sinologe Prof. Iwo Amelung, der gemeinsam mit dem auf japanisches Recht spezialisierten Rechtswissenschaftler Prof. Moritz Bälz, der Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Area Studies China/Ostasien, Prof. Heike Holbig, und Prof. Cornelia Storz, ausgewiesen für Institutionen- und Innovationsökonomik in Ostasien und Japan, den nun erfolgreichen Antrag gestellt hat. "Wir wollen nicht nur unser Verständnis für die Entstehung von nicht-westlichen Weltbildern und ihre Rückwirkungen auf die Weltbilder des Westens hinterfragen, uns interessiert auch, wie sich neue Positionen zum Schutz des Schwachen in einer globalisierten Welt entfalten", ergänzt Holbig. Die Ergebnisse der verschiedenen Projekte werden die Wissenschaftler in Publikationen und Vortragsreihen, zu der ebenso Forscher aus Ostasien eingeladen werden, einer breiten interessierten Öffentlichkeit präsentieren.
Die Frankfurter Forscher haben ein spannendes Phänomen ausgemacht: Weg vom Dogma eines Primats von Modernisierung und ausschließlicher Fokussierung auf Wachstum wird in Japan und China neu über das Gemeinwohl und damit über den Schutz des Schwachen in der Gesellschaft verhandelt - ähnlich wie im Westen, aber mit regionalen Unterschieden. Denn diese Debatten nehmen Anleihen nicht nur bei westlich geprägten Diskursen, sondern auch bei den reichhaltigen ostasiatischen Traditionen von Barmherzigkeit und Philanthropie. "Systematisch zu vergleichen, wie China und Japan schwache Gruppen und Interessen schützen, ermöglicht zugleich Besonderheiten der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft in diesen beiden Ländern herauszuarbeiten", so Bälz.
Vier Themen werden in Fallstudien jeweils in China und in Japan untersucht, was einen späteren Vergleich zwischen diesen beiden Ländern ermöglicht: Dabei geht es um Forderungen nach dem Schutz von Katastrophenopfern, nach respektablen Arbeitsbedingungen für Beschäftigte, nach Erhalt des kulturellen Erbes und nach dem Schutz von Tieren. Die Fallstudien übernehmen Doktoranden, die von jeweils zwei der Professoren mit unterschiedlicher Länderexpertise und disziplinärer Ausrichtung betreut werden. "Eingebettet sind diese Fallstudien in einen gemeinsamen Rahmen, den vier konzeptionellen Hintergrund-Studien schaffen. Diese sind interdisziplinär ausgerichtet und umfassen Politikwissenschaft, Recht, Wirtschaftswissenschaften und Sprach- und Kulturwissenschaften", erklärt Storz.
Die Studien werden sich eine Untersuchung der historischen Bedingungen zu Nutze machen, an der ein Postdoc-Forscher arbeitet. Er beschäftigt sich besonders damit, wie sich philanthropische Vorstellungen und Praktiken in Ostasien während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss sozialdarwinistischer Vorstellungen verändert haben. Im Fokus steht auch, wie die Moderne in den westlichen und den ostasiatischen Kulturen sich gegenseitig bedingt hat. Die indische, in Genf lehrende Anthropologin Shalini Randeria bezeichnet dies als "verwobene Moderne", die gekennzeichnet ist durch interaktive Prozesse von Übersetzung, Modifikation und Aneignung von westlichen Konzepten und der Einbeziehung von vermeintlichen und tatsächlichen Traditionen in Ostasien.
Aus den Fördermitteln der VolkswagenStiftung werden unter anderem Stellen für acht Doktoranden und einen Post-Doc finanziert sowie Kosten für Reise und längere Auslandsaufenthalte der beteiligten Wissenschaftler in China und Japan. Der Titel des Forschungsvorhabens lautet "Protecting the Weak. Entangled processes of framing, mobilization and institutionalization in East Asia".
Zum Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien (IZO): Das Zentrum ist eine fächerübergreifende wissenschaftliche Einrichtung der Goethe-Universität. Das Zentrum bündelt die ostasienbezogenen Aktivitäten der Sprach- und Kulturwissenschaften, Gesellschafts-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Forschung und Lehre und fördert das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung der Region Ostasien in einer zunehmend komplexen, globalisierten und vernetzten Welt. Darüber hinaus verbindet das IZO wissenschaftliche Theoriebildung und aus der Forschung gewonnene Erkenntnisse mit praktischer Erfahrung, insbesondere durch Kooperationen und den Austausch mit Institutionen und Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Gegründet 2008 als interdisziplinäres Kompetenzzentrum für Ost- und Südostasien, ist es im Zuge der vom Land Hessen geförderten Zentrenbildung kleinerer geistes- und regionalwissenschaftlicher Fächer an hessischen Hochschulstandorten entstanden.
Informationen: Prof. Iwo Amelung, Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien, Campus Bockenheim, Tel. (069) 798-22897, Amelung@em.uni-frankfurt.de
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn drittmittelstärksten und größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Parallel dazu erhält die Universität auch baulich ein neues Gesicht. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht ein neuer Campus, der ästhetische und funktionale Maßstäbe setzt. Die "Science City" auf dem Riedberg vereint die naturwissenschaftlichen Fachbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei Max-Planck-Instituten. Mit über 55 Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität laut Stifterverband eine Führungsrolle ein.
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