Neues Modell für die europäische Integration im Zivilrecht

Kurzfassung: Neues Modell für die europäische Integration im ZivilrechtZu dem Inkrafttreten des Abkommens vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Gü ...
[Bundesministerium der Justiz (BMJ) - 29.04.2013] Neues Modell für die europäische Integration im Zivilrecht

Zu dem Inkrafttreten des Abkommens vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft am 1. Mai 2013 erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Der deutsch-französische Wahlgüterstand steht für ein neues Modell der europäischen Integration im Zivilrecht. Ein gemeinsames europäisches Familienrecht ist noch nicht in Sicht. Deutschland und Frankreich sind einen Schritt vorausgegangen: Zusammen haben wir ein neues Rechtsinstitut geschaffen, mit dem vor allem deutsch-französische Ehepaare oder Lebenspartner ihre Vermögensverhältnisse regeln können. Aber auch andere Ehepaare oder Lebenspartner, für die deutsches oder französisches Güterrecht gilt, können den neuen Güterstand wählen. Andere EU-Staaten können sich dem Abkommen anschließen und damit dasselbe attraktive Angebot für europäische Paare machen.
Europa überwindet Staatsgrenzen, auch in Ehen und Familien. Im Jahr 2011 hatte bei 14 Prozent aller Ehepaare in Deutschland zumindest einer von beiden eine ausländische Staatsangehörigkeit. In jeder Ehe, die über Ländergrenzen hinweg geführt wird, stellt sich die Frage, welche Regeln für das Vermögen der Eheleute gelten. In Deutschland bleiben die Vermögen von Mann und Frau während der Ehe normalerweise getrennt, erst am Ende werden Zugewinne ausgeglichen. In Frankreich gehört das Vermögen, das während der Ehe erworben wird, von Anfang an beiden gemeinsam. Die Unterschiede führen in der Praxis oft zu Problemen, weil in Deutschland die französischen Regeln unbekannt sind und umgekehrt. In Zukunft können sich insbesondere deutsch-französische Paare für einen neuen Wahlgüterstand entscheiden. Dieser orientiert sich am deutschen Grundmodell, berücksichtigt aber französische Besonderheiten. Rechtliche Probleme, etwa beim gemeinsamen Erwerb eines Grundstücks in Deutschland, werden in Zukunft vermieden.
Der neue Wahlgüterstand wird in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Auch gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern steht der neue Wahlgüterstand offen. Im Steuerrecht stellen wir sicher, dass der neue Wahlgüterstand bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer genauso behandelt wird wie die deutsche Zugewinngemeinschaft. Niemand soll sich aus steuerlichen Gründen gegen den neuen Wahlgüterstand entscheiden.
Zum Hintergrund:
Das Abkommen vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft sowie die bislang noch nicht in Kraft getretenen Regelungen des deutschen Umsetzungsgesetzes vom 15. März 2012 werden am 1. Mai 2013 in Kraft treten. Das zugrundeliegende Abkommen hatten die französische und die deutsche Justizministerin am 4. Februar 2010 in Paris unterzeichnet. Am 15. März 2012 wurde das deutsche Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft beschlossen, das französische Gesetz am 17. Januar 2013. Der Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte am 18. April 2013. Das Inkrafttreten der neuen Regelungen wird in Kürze auch im Bundesgesetzblatt Teil II bekanntgegeben werden.
Der deutsch-französisch Wahlgüterstand beschreitet einen neuen Weg bei der Angleichung des Familienrechts. Nach wie vor ist das Eherecht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auf europäischer Ebene wird momentan ausschließlich nach einer gemeinsamen Antwort auf die Fragen gesucht, welches nationale Recht für Ehen mit Auslandsberührung Anwendung findet, ob also etwa bei einer deutsch-französischen Ehe das deutsche oder das französische Eherecht gilt. Demgegenüber steht eine inhaltliche Angleichung des Familienrechts in den Mitgliedstaaten nicht auf der Agenda. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, zunächst bilateral vorzugehen, dabei gemeinsam gefundene Modelle für andere Mitgliedstaaten zu öffnen und so den Weg für weitere Angleichungen in Europa zu bereiten.
Der deutsch-französische Wahlgüterstand macht den ersten Schritt zu einer inhaltlichen Annäherung des deutschen und französischen Familienrechts. Bislang richten sich die rechtlichen Folgen der Ehe unter anderem nach der Staatsangehörigkeit, so dass beispielsweise für ein in Deutschland lebendes Paar französisches Recht gelten kann:
Gesetzlicher Normalfall in Deutschland ist die Zugewinngemeinschaft. Die Vermögen der Ehegatten bleiben getrennt. Nur bei der Beendigung des Güterstandes - etwa wegen einer Scheidung - wird der während der Ehe erwirtschaftete Zugewinn ausgeglichen. In Frankreich ist die Errungenschaftsgemeinschaft der gesetzliche Normalfall. Die Errungenschaften während der Ehe werden zum gemeinsamen Vermögen der Ehepartner.In der Praxis kam es immer wieder zu Problemen, wenn für die Rechtsfolgen der Ehe das Familienrecht eines anderen Mitgliedstaates galt, das den Beteiligten am Rechtsverkehr oft unbekannt war.
Beispiel: Wenn ein deutsch-französisches Ehepaar in Deutschland nach den Regeln der französischen Errungenschaftsgemeinschaft lebt, gab es oft Schwierigkeiten beim Erwerb von Grundstücken. Weil die französische Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland weitgehend unbekannt ist, konnten Dritte bei der Eintragung von Eigentumsrechten in das Grundbuch nur schwer einschätzen, welche Tragweite die den einzelnen Eheleuten zustehenden Grundstücksrechte hatten. Gerade den deutschen Banken war bei der Finanzierung des Grundstücksgeschäfts dann oft unklar, welche Auswirkungen etwa Schulden eines Ehegatten auf das gemeinsam erworbene Grundstück hatten. Das Problem wurde häufig so gelöst, dass die Ehegatten speziell für ihr Grundstück das deutsche Güterrecht wählten, auch wenn sie an sich in einer französischen Errungenschaftsgemeinschaft lebten. Das führte aber zu einem "gespaltenen" Güterstand, der dann bei der Scheidung Abrechnungsschwierigkeiten zur Folge hatte. In Zukunft können die Eheleute den deutsch-französischen Wahlgüterstand wählen, der sich am deutschen Modell der Zugewinngemeinschaft orientiert und die dargestellten Probleme vermeidet.
Der deutsch-französische Wahlgüterstand kann regelmäßig gewählt werden, wenn
deutsche Ehegatten in Frankreich oder französische Ehegatten in Deutschland leben, deutsch-französische Ehegatten in Frankreich oder in Deutschland leben oder ausländische Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in Frankreich haben.Er steht aber zum Beispiel auch deutschen Ehegatten, die in Deutschland leben, oder französischen Ehegatten, die in Frankreich leben, offen. Unter gleichen Voraussetzungen können auch eingetragene Lebenspartner den neuen Wahlgüterstand wählen.
Entscheiden sich Eheleute oder eingetragene Lebenspartner für den deutsch-französischen Wahlgüterstand, bleiben ihre Vermögen - wie bei der deutschen Zugewinngemeinschaft - während der Ehe getrennt. Erst bei Beendigung des Güterstandes wird der erwirtschaftete Zugewinn zwischen ihnen ausgeglichen. Trotz der inhaltlichen Nähe zur deutschen Zugewinngemeinschaft gibt es beim Wahlgüterstand aber eine Reihe französisch geprägter Besonderheiten. So werden etwa Schmerzensgeld und zufällige Wertsteigerungen von Immobilien (z.B. durch Erklärung zu Bauland) nicht im Zugewinnausgleich berücksichtigt.
Der deutsch-französische Wahlgüterstand steht auch anderen Mitgliedstaaten der EU offen. Er könnte so zum Pilotverfahren für weitere vergleichbare Angleichungen des Familienrechts in Mitgliedstaaten mit ähnlicher Rechtstradition werden.

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