Niebel-Interview für "Welt online

Kurzfassung: Niebel-Interview für "Welt online" Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit DIRK NIEBEL, gab "Welt online" das folgende Interview. Die Fragen stellte SI ...
[FDP-Bundesgeschäftsstelle - 25.02.2013] Niebel-Interview für "Welt online"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit DIRK NIEBEL, gab "Welt online" das folgende Interview. Die Fragen stellte SIMONE MEYER:
Frage: Neuerdings lassen Sie die Arbeit Ihres Hauses von einem Evaluierungsinstitut namens DEval kontrollieren. Die 38 Mitarbeiter sollen prüfen, ob deutsche Entwicklungsprojekte immer sinnvoll geplant und umgesetzt werden. Warum lassen Sie sich von einem Externen die Leviten lesen? Um sich gegen den Vorwurf zu wehren, Ihr Ministerium verschwende Steuern?
NIEBEL: Bisher haben die staatlichen Durchführungsorganisationen und auch das Ministerium sich vor allem selbst evaluiert. Das wollen wir ändern. Erstmals stellen wir uns einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung von außen, um aus den Erfahrungen unserer Arbeit zu lernen.
Frage: Steht auch Afghanistan auf dem Programm?
NIEBEL: Irgendwann sicherlich. Letztlich ist das DEval aber frei in seiner Entscheidung. Wir machen nur Vorschläge, wenn auch manche als dringende Bitte.
Frage: Eine kritische Bilanz nach zehn Jahren täte der Mission doch ganz gut. Zu oft wird der Vorwurf laut, dass gerade in Afghanistan Steuermittel versickern…
NIEBEL: Überall dort, wo allgemeine Budgethilfen in den Haushalt Afghanistans gegeben werden und man nicht nachvollziehen kann, wohin das Geld fließt, mag das vielleicht sein. Dieses Instrument nutzen wir aber nicht. Für unsere Entwicklungskooperation lasse ich die Kritik daher nicht gelten. Wir stabilisieren den Staat, stärken die Zivilgesellschaft, verbessern Lebensbedingungen. Dadurch entziehen wir Extremismus den Nährboden und steigern die Chance der Bürger, ihr Land mitzugestalten. Wir finanzieren Projekte entsprechend ihres Fortschritts und ertüchtigen unsere afghanischen Partner zu eigenständigem Arbeiten.
Frage: Aber daran hakt es doch: Dass es nicht genug afghanische Partner gibt, die Entwicklungsprojekte eigenständig umsetzen können.
NIEBEL: Man hat mit Sicherheit zu spät angefangen, Kapazitäten aufzubauen. Aber man muss auch beachten, woher wir kommen: Man darf Afghanistan nicht vergleichen mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Man muss es vergleichen mit Deutschland nach dem 30-jährigen Krieg, wo niemand mehr da war, der wusste, wie man einen Pflug baut oder ähnliches. In der Stadt Masar-i-Scharif zum Beispiel müssen 30 Prozent der Lehrer, die wir ausbilden, erst einmal lesen und schreiben lernen. Gemessen daran sind wir einen großen Schritt weitergekommen - auch in der Energieversorgung, der Wasserversorgung oder im Straßenbau. Trotzdem ist es noch ein langer Weg.
Frage: Wann kann Afghanistan auf eigenen Beinen stehen?
NIEBEL: Wir haben auf der Afghanistan-Konferenz im Juli 2012 in Tokio mit allen Partnern vereinbart, dass wir von einer Übergangsphase von zehn Jahren ausgehen. Bis 2024 wird sich die internationale Staatengemeinschaft auf langsam abschmelzendem Niveau im zivilen Bereich engagieren müssen.
Frage: Die Böll-Stiftung hat im Oktober ihr Büro in Kabul geschlossen, aus Sicherheitsgründen. Haben Sie keine Angst um Ihre Mitarbeiter vor Ort, wo sich das Militär schon zurückzieht?
NIEBEL: Wir haben bereits vor Jahren ein eigenes Sicherheitssystem aufgebaut. Das Risk Management Office hat bisher immer getragen. Es baut darauf, dass unsere Mitarbeiter in der Gesellschaft akzeptiert sind, weil wir Projekte machen, die die Leute wollen. Außerdem zieht die Bundeswehr nach 2014 ja nicht komplett ab. Das Militär wird weiter Stützpunkte mit gesicherten Räumen betreiben, in die man sich notfalls zurückziehen kann. Die Entscheidung der Böll-Stiftung war ein falsches politisches Signal. Vor allem ist ja nur die Büroleitung abgezogen worden, alle anderen Mitarbeiter bleiben. Nach unserer Erkenntnis gibt es in Nordafghanistan keine Einschränkungen, die unsere Mitarbeiter so gefährden, dass sie ihre Arbeit nicht mehr ausüben können.
Frage: Gibt es nicht in absehbarer Zeit Probleme, überhaupt Entwicklungs-Experten für Afghanistan zu gewinnen? Viele Hilfsorganisationen klagen über Spendenrückgänge und werden sich bald neuen Krisenherden zuwenden, die mehr im öffentlichen Fokus stehen.
NIEBEL: Man muss sich schon entscheiden, ob es nur ums Spendensammeln geht, um die wirtschaftliche Existenz einer NGO - oder um Hilfe für Menschen. Die Bundesregierung hat sich jedenfalls entschieden, dauerhaft dazu beizutragen, dass in Afghanistan der Boden für Extremismus entzogen wird. Das werden wir auch in anderen Regionen der Welt machen. Dafür haben wir gemeinsame Leitlinien formuliert, wie wir in Zukunft mit fragilen Staaten umgehen wollen.
Frage: Bei der Veröffentlichung dieser Leitlinien haben Sie gesagt, Afghanistan sei der Schadensfall, nicht das Paradebeispiel für vernetzte Sicherheit.
NIEBEL: Das Paradebeispiel ist, dass man in fragilen Staaten mit zivilen Instrumentarien im Vorfeld dazu beiträgt, dass eine militärische Intervention gar nicht erst nötig wird. Danach braucht man ein Mindestmaß an Sicherheit, um ein Land aufbauen zu können. In Afghanistan war das anders, die Mission hat mit Kämpfen begonnen. In der Gefechtszone kann man keine Entwicklungsarbeit betreiben, erst in einem gesicherten Umfeld. Künftig wollen wir in Krisenregionen die verschiedenen Kompetenzen möglichst früh zusammen führen, uns absprechen und kohärent vorgehen.
Frage: Also hat die Bundesregierung bisher nicht an einem Strang gezogen?
NIEBEL: Das war verbesserungsfähig. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag dieses Konzept für den Umgang mit fragilen Staaten vereinbart. Mein Haus, das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium haben es erarbeitet. Es kann aber auch Situationen geben, in denen andere Ressorts mit eingebunden sind.
Frage: Und wer koordiniert generell die Entwicklungsleistungen für schwache Staaten?
NIEBEL: Nach meinem Amtsantritt 2009 haben wir eine Ressortvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt getroffen, die uns die Zuständigkeit für die offiziellen Entwicklungsleistungen gibt. Wir haben jetzt eine Staatssekretärsrunde, und durch diesen Austausch erfahren wir zum ersten Mal in der Geschichte meines Ministeriums, was die anderen Ressorts in anderen Ländern machen. Vorher konnte es sein, dass ein Haus mit der gtz, der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, in Indien ein Wasserprojekt durchführt und ein anderes Ressort mit der gleichen Organisation noch einmal, nur weniger Kilometer weiter - und dann auch noch zu unterschiedlichen Preisen. Heute muss jeder mitteilen, was er wo tut. Und es muss in den Gesamtansatz dieser Regierung passen.
Frage: Was bedeuten die neuen Leitlinien für die praktische Arbeit?
NIEBEL: Dass wir im regelmäßigen Austausch sind. Neben der Afghanistan-Runde, zu der sich wöchentlich die Staatssekretäre treffen, gibt es regelmäßige Treffen der jeweiligen Minister im Kanzleramt. Mittlerweile haben wir noch zwei weitere Task-Forces: Die eine bereitet die Zeit nach den Kampfhandlungen in Syrien vor, die andere versucht zu verhindern, dass es in der Sahel-Zone so wird wie in Somalia. Federführung hat das Auswärtige Amt.
Frage: In Afghanistan hat es mindestens sieben Jahre gedauert, bis die Mitarbeiter der dort engagierten Ministerien für Verteidigung, Inneres, Entwicklungszusammenarbeit und Auswärtiges überhaupt miteinander geredet haben.
NIEBEL: Das hat sich massiv geändert. Gerade die Kooperation mit der Bundeswehr läuft problemlos und positiv. Es ist zum Nutzen aller Beteiligten, zu wissen, wo das jeweils andere Ressort engagiert ist: So ist es in unserem Interesse zu wissen, wo militärische Operationen stattfinden. Auf der anderen Seite ist es auch hilfreich, wenn die Bundeswehr weiß, wo wir Entwicklungsvorhaben begonnen haben, damit die nicht gleich einen Spähtrupp reinschicken und gewonnenes Vertrauen zerstört.
Frage: Viele NGOs haben Sie dafür kritisiert, dass Sie die Kooperation mit dem Militär zur Bedingung für Projektförderung machen.
NIEBEL: Mir ging und geht es nach wie vor um Abstimmung. So etwas wie embedded Entwicklungshelfer war nie geplant. Deswegen waren manche Vorwürfe in einer überhitzten deutschen Diskussion nicht sachgerecht. Viele, die damals am lautesten geschrieben haben, beklagen jetzt den Bundeswehr-Abzug am heftigsten.
Frage: Bleibt das Problemfeld internationale Koordinierung: In Afghanistan weiß oft ein Land nicht, was das andere macht. Wäre das nicht Aufgabe der UN?
NIEBEL: Eigentlich ja. Aber UNAMA ist seit den Ausschreitungen nach der vorletzten Wahl leider so geschwächt, dass eine wirkliche Koordinierung im Augenblick schwierig ist. Wenigstens in Europa stimmen wir uns ab. Durch meine Intervention hat die EU das sogenannte joint programming beschlossen, eine Koordinierung für die 27 Mitgliedstaaten und für die Kommission. Das ist zwingend notwendig, denn fragile Staaten sind oft so schwach in ihren Verwaltungen aufgestellt, dass sie von gutmeinenden Gebern schlichtweg überschwemmt werden durch einen Donor-Tsunami. Wenigstens wir wollen unsere Partner nicht überfordern. Um die Abstimmungsnotwendigkeit zu unterstreichen, habe ich bereits den EU-Entwicklungskommissar und den niederländischen Entwicklungsminister zu Reisen nach Afghanistan mitgenommen.
Frage: Trotzdem klagen viele, auch deutsche Entwicklungs-Experten vor Ort über den großen Druck, dass das Geld ausgegeben werden muss.
NIEBEL: Es gibt wohl den Druck, lokale Partner oder Firmen zu finden, die die Projekte duchführen können - aber keinen Druck, Geld loszuwerden. Gerade bei der Entwicklung ländlicher Räume, was ja das Hauptgeschäft in Afghanistan ist, braucht man Zeit, oft leider mehr, als uns lieb wäre. Dieser Bereich wurde über Jahre international komplett vernachlässigt, weil man eben nicht den schnellen Erfolg hat, der zum nächsten Wahltermin passt.
Frage: Wenn die Bundeswehr abzieht, fällt ein Großteil der Kosten für den Isaf-Einsatz weg. Stoff für einen neuen Geber-Tsunami? Oder werden Sie nach den Kürzungen des letzten Jahres an Ihrem Etat auch bei Afghanistan streichen?
NIEBEL: Nein. Bei bis zu 430 Millionen Euro im Jahr sind wir an der Obergrenze dessen angelangt, was man vernünftigerweise investieren kann, ohne Gelder in falsche Kanäle zu verlieren. Wenn ich noch mehr drauflege, erziele ich damit keine besseren Ergebnisse. Das wissen auch unsere afghanischen Partner Deutschland hat sich im Juli letzten Jahres auf der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Tokio verpflichtet, Afghanistan zunächst bis zum Jahr 2016 auf dem gleichen finanziellen Niveau wie bisher bei zivilem Wiederaufbau und Entwicklung zu unterstützen. Unser Engagement in Afghanistan ist von den Kürzungen im Haushaltsansatz nicht betroffen.
Frage: Seit 2011 knüpfen Sie die Zahlungen an bestimmte Bedingungen: Die Afghanen müssen sich um Reformen bemühen, um bessere Regierungsführung. Wie kontrollieren Sie das?
NIEBEL: Wir haben mit der afghanischen Regierung konkrete Bedingungen zur Zahlung unserer Mittel vereinbart. Diese sind ein spürbarer Anreiz, die angekündigten Reformen mit dem nötigen Nachdruck umzusetzen. Dabei waren die Bedingungen so realistisch formuliert, dass sie mit dem nötigen politischen Willen durch die afghanische Regierung auch erfüllt werden konnten. In den letzten beiden Jahren war dieser Ansatz erfolgreich: alle Bedingungen wurden jeweils zufriedenstellend erfüllt.
Frage: Sie tragen eine gelbe Schleife am Revers. Das drückt Solidarität mit Soldaten aus - was ist mit Ihren Mitarbeitern?
NIEBEL: Für mich gilt die automatisch auch für meine Leute und für die Polizisten. Ich trage sie aber ganz bewusst auch für die Soldaten, weil ich der Ansicht bin, dass die öffentliche Wertschätzung für sie zu kurz kommt.
Frage: Für die Soldaten machen Sie aber doch schon mit Ihrer Einzelkämpfermütze Werbung.
NIEBEL: Meine Mütze ist Baujahr 11/84, ein Traditionsstück. Die ersten Reaktionen damals, als ich sie zum ersten Mal trug, waren völlig panisch - und haben mich dazu bewogen, das Ganze zu zelebrieren. Mittlerweile wurden uns 1000 Mützen mit BMZ-Logo geschenkt, aus fair gehandelter Baumwolle, versteht sich. Die geben wir jetzt bei Delegationsreisen aus. Und je linker die Journalisten, desto schneller ist die Mütze auf dem Kopf. Das Original wird irgendwann mal am Bauzaun von "Stuttgart 21" im Haus der Deutschen Geschichte hängen.

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