Ein Ägypter in der Ägyptologie

Kurzfassung: Ein Ägypter in der ÄgyptologieEr lebt in Kairo, arbeitet im Staatsministerium für Altertümer und genehmigt und beaufsichtigt dort sämtliche Ausgrabungen in Ägypten. Was also treibt den Ägyptolo ...
[Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 22.07.2014] Ein Ägypter in der Ägyptologie
Er lebt in Kairo, arbeitet im Staatsministerium für Altertümer und genehmigt und beaufsichtigt dort sämtliche Ausgrabungen in Ägypten. Was also treibt den Ägyptologen Dr. Mohamed Ismail Khaled dazu, sich für ein Humboldt-Stipendium zu bewerben und als Stipendiat für zwei Jahre nach Würzburg zu gehen? An erster Stelle natürlich der hervorragende Ruf des Lehrstuhls für Ägyptologie und des Instituts für Altertumswissenschaften, wie er sagt. Doch schon an zweiter Stelle steht ein etwas überraschender Aspekt: "Die Stille!"
Mohamed Ismail Khaled hätte sich im Prinzip auch für München oder Berlin bewerben können. Aber weil er aus Kairo kommt, einer Stadt, die nach seinen Worten "überfüllt, chaotisch und permanent laut" ist, habe er sich bewusst für Würzburg entschieden. Hier habe er alles, was er in den kommenden zwei Jahren braucht: das geeignete wissenschaftliche Umfeld am Lehrstuhl von Professor Martin Stadler - und eine tiefe Stille, in der er konzentriert seiner Forschung nachgehen kann.
Neue Entdeckungen an einer alten Grabungsstätte
Drei mal zwei Meter groß, acht Tonnen schwer und rund 4500 Jahre alt: Das sind die technischen Daten des Objekts, mit denen sich Khaled beschäftigt. Es stammt aus einer Ausgrabungsstätte in Abusir, einer bedeutenden altägyptischen Totenstadt mit zahlreichen Tempeln und Pyramiden aus verschiedenen Epochen Altägyptens. Könige der 5. Dynastie haben sie um das Jahr 2450 v. Chr. als Grabbezirke angelegt; deutsche Wissenschaftler - eine Expedition des Berliner Ägyptischen Museums unter der Leitung des Ägyptologen Ludwig Borchardt - haben die Anlage zwischen 1898 und 1901 freigelegt. Auch in den folgenden Jahren veranlassten deutsche Forscher dort weitere Grabungen; viele ihrer Fundstücke sind heute im Neuen Museum in Berlin zu sehen.
"Eigentlich hatte man angenommen, dass Borchardt diesen Bereich vollständig erforscht hat", sagt Mohamed Ismail Khaled. Umso überraschender war es, als fast 100 Jahre später neue, bislang unbekannte Fundstücke entdeckt wurden. 1994 wollte die ägyptische Antikenverwaltung das Gelände für den Tourismus erschließen; dabei stießen Arbeiter im Bereich des Aufwegs zur sogenannten Sahure-Pyramide auf eine ganze Reihe großer Kalksteinblöcke mit farbigen Reliefs und Inschriften. Bei weiteren Ausgrabungen im Jahr 2002 kamen weitere 16 dekorierte Blöcke ans Tageslicht, von denen Khaled nun einen akribisch erforscht.
Opferträgerinnen erklären das Wirtschaftssystem
"Bei diesen Funden handelt es sich um die vollständigste Sammlung königlicher Reliefs des Alten Reichs, die bisher gefunden wurde", sagt der Ägyptologe. Darauf zu sehen sind lange Reihen von Frauen, die allesamt unterschiedliche Waren in Körben auf ihrem Kopf transportieren - Gemüse, Früchte oder Brot. Außerdem führen sie verschiedene Arten von Tieren mit sich, beispielsweise Ochsen, Gazellen und Ziegen. "Es handelt sich dabei um weibliche Opferträgerinnen, die alle nach Westen zum Eingang des Totentempels des Königs blicken", erklärt Khaled. Bei jeder von ihnen sind ihr Name und ihre Herkunft vermerkt.
Was für den Laien nach einer Szene vom Markt aussieht, verrät dem Wissenschaftler viel darüber, wie das Wirtschaftssystem im alten Ägypten aufgebaut war. "Jede dieser Frauen symbolisiert eine bestimmte Region des altägyptischen Reichs", erklärt Khaled. In einer Art Lehenssystems waren diese dazu verpflichtet, dem König einen bestimmten Teil ihrer Waren und Ernteerträge abzuliefern. Der wiederum finanzierte damit beispielsweise den Bau seiner Pyramiden und Tempel. "Es gab damals noch kein Bezahlsystem, wie wir es heute kennen", sagt Khaled. Seine Aufträge bezahlte der Herrscher deshalb nach dem Motto "Lebensmittel gegen Arbeitsleistung". Wie das genau ablief, davon erzählt das Relief dieses Steins.
Die Inschriften lesen und übersetzen, steht am Anfang von Khaleds Forschung. Dort, wo Passagen fehlen, sucht er in bekannten Quellen nach vergleichbaren Texten und hofft, dass er damit die Lücken füllen kann. Sollte das nicht möglich sein, versucht er auf anderen Wegen den ursprünglichen Text zu rekonstruieren und zu interpretieren. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht: "In der Ägyptologie haben wir jeden Tag neue Entdeckungen, die neue Erkenntnisse liefern", sagt er.
Mohamed Ismail Khaleds Werdegang
Dr. Mohamed Ismail Khaled stammt aus Ägypten; an der Minia-Universität und an der Uni in Kairo hat er Ägyptologie studiert. "Ich hatte schon früh davon geträumt, Archäologe zu werden. Die Geschichte des Altertums hat mich von klein auf fasziniert", sagt er. Das Alltagsleben der Menschen und ihre Beziehungen untereinander vor etlichen tausend Jahren interessieren ihn besonders: Wie haben sie gewohnt, womit gearbeitet? Wie haben sie ihren Glauben gelebt? Wie haben Wirtschaft und Handel funktioniert? Auf diese und viele weitere Fragen versucht Khaled Antworten zu finden.
Nach seinem Studium in Ägypten wechselte Khaled an die Universität Prag, wo er fünf Jahre lang für seine Doktorarbeit forschte. Sein Fremdsprachenrepertoire umfasst deshalb neben Englisch und Französisch auch noch fließend Tschechisch - und vermutlich schon bald auch fehlerloses Deutsch. Im Januar 2009 wurde er in Prag promoviert; anschließend ging er zurück nach Kairo ans Ministerium für Altertümer. Als Director of the Foreign Missions Affairs bekommt Khaled sämtliche Anträge auf Grabungen in Ägypten von Forschern weltweit auf seinen Schreibtisch; der Name "Martin Stadler", sein jetziger Gastgeber, war ihm auch von daher schon bekannt. Noch enger war der Kontakt zu Stadlers Mitarbeiterin Dr. Eva Lange, die in Tell Basta im östlichen Nildelta nahe der Stadt Zagazig eine Grabung leitet.
Als reinen Schreibtisch-Job darf man sich die Arbeit von Mohamed Ismail Khaled im Ministerium allerdings nicht vorstellen. "Ich hatte die Aufsicht über sämtliche Ausgrabungen in Ägypten und bin deshalb regelmäßig dorthin gereist, habe den Fortschritt kontrolliert und geholfen, wenn es Probleme gab", sagt Khaled. Zusätzlich habe er selbst auch Ausgrabungen vorgenommen.
Drei Staatschefs und eine Revolution
Husni Mubarak, Mohammed Mursi, Abd al-Fattah al-Sisi: Drei Staatspräsidenten hat der Ägyptologe in seiner Zeit am Ministerium für Altertümer inzwischen erlebt - und eine Revolution. Die verschiedenen Machthaber habe er in seiner täglichen Arbeit nicht zu spüren bekommen. "Es macht keinen Unterschied, wer an der Macht ist. Ich mache meine Arbeit, und das System interessiert sich nicht dafür", sagt er. Schwieriger sei die Lage während der Revolution 2011 gewesen, als der gewaltsame Sturz von Husni Mubarak nach dessen fast 30-jähriger Amtszeit von einer Phase der Instabilität abgewechselt wurde. "In dieser Zeit waren wir in der Hauptsache damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass die Ausgrabungen im Ägypten weiterlaufen", sagt Khaled.
Auch wenn die Nachrichten aus Ägypten aus Sicht eines Westeuropäers beunruhigend klingen: Mohamed Ismail Khaled ist davon überzeugt, dass das Land heute sicher ist und die Lage sich weiter beruhigen wird. "Egal, ob Sie als Wissenschaftler oder als Tourist nach Ägypten kommen: Sie müssen sich keine Sorgen machen", sagt er. Ausländerfeindlichkeit sei in dem Land am Nil kein Thema, und für Besucher habe in den typischen Touristenhochburgen nicht einmal während der Revolution Anlass zur Sorge bestanden: "Dort war es immer sicher!" Auch für ihn stehe deshalb fest: Wenn die zwei Jahre im beschaulichen, stillen Würzburg vorüber sind, wird Mohamed Ismail Khaled wieder an seinen Schreibtisch im hektischen, lauten Kairo zurückkehren und dort sein neu gewonnenes Wissen in die alltägliche Arbeit einbringen.

Kontakt
Dr. Mohamed Ismail Khaled
mohamed.ismail@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Martin Stadler
Lehrstuhl für Altägyptische Kulturgeschichte in ptolemäisch-römischer Zeit
T: (0931) 31-82787
martin.stadler@uni-wuerzburg.de
Weitere Informationen
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Als die Universität 1582 gegründet wurde, nahm sie ihren Betrieb mit einer Theologischen sowie einer Philosophischen Fakultät auf und verfügte bald auch über eine Juristische und Medizinische Fakultät. Im Jahre 1878 gliederte sich ihre Philosophische Fakultät in zwei Sektionen, in einen philosophisch-historischen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.Erst 1937 verselbständigte sich die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion zu einer eigenen fünften Fakultät. Als nach dem 2. Weltkrieg die Lehr- und Forschungsarbeit wieder fortgesetzt wurde, blieb es bei dem vorherigen Stand. 1968 wurde die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät in zwei selbständige Abteilungen geteilt, in die Juristische und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Die Universität besaß nun sechs Fakultäten. Ab 1972 schloß sich mit der Eingliederung der früher eigenständigen Pädagogischen Hochschule die Erziehungswissenschaft als siebte Fakultät an. Infolge der Hochschulreform 1974 wurde die Universität in insgesamt 13 Fakultäten umorganisiert. Die Erziehungswissenschaft wurde 1977 aufgelöst und den restlichen zwölf Fakultäten eingegliedert.Einer der Hauptgründe für die Attraktivität der Würzburger Universität ist zweifellos das auf 12 Fakultäten verteilte breite Fächerspektrum, das nahezu alle traditionellen Gebiete einer alten Universität umfaßt. In ihrer nun über 400jährigen Geschichte zählte sie stets zu den durchschnittlich großen deutschen Universitäten. Zu von Virchows und Röntgens Zeiten lag die Gesamtzahl der Studierenden an der Alma Julia zwischen 700 und 1000 Studenten, noch vor 40 Jahren bei 2500; heute gehört sie mit rund 20.000 Studenten zu den vier großen Universitäten Bayerns. Ihnen stehen 350 Professoren und rund 2700 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber.Mit 3.000 Studierenden bilden die Mediziner heute die größte Einzelfakultät. Die Hälfte aller in Würzburg Studierenden gehört jedoch den geisteswissenschaftlichen Bereichen an. Davon zählen 380 zur Katholisch-Theologischen Fakultät, etwas mehr als 520 zur Philosophischen Fakultät I, jeweils rund 3.000 zu den Philosophischen Fakultäten II und III. Bei den Juristen sind über 2.600 Studenten immatrikuliert und bei den Wirtschaftswissenschaftlern rund 2.000. Biologen und Chemiker bringen es jeweils auf rund 1.200 Studierende, die Fakultät für Mathematik und Informatik auf etwas über 1.000, Physiker und Erdwissenschaftler bleiben jeweils unter der 1.000er-Grenze.Die Naturwissenschaften streben räumlich seit den 50er Jahren in die Außenbezirke der Stadt. Die Auslagerung begann mit den Botanikern, die ihre Institute zum Dallenberg verlegten, und setzte sich in den 60er und 70er Jahren mit dem Aufbau der Universität Am Hubland fort. Chemikern und Pharmazeuten, Mineralogen und Kristallstrukturforschern, Physikern und Astronomen stehen heute dort, zusammen mit Mathematikern und Informatikern, hochmoderne Institutsgebäude und leistungsfähige Labors, Seminarräume und Hörsäle zur Verfügung. Während sich die Fachbereiche Philosophie I und III sowie die Juristen und Wirtschaftswissenschaftler noch in der Stadt befinden, teils in der fürstbischöflichen Residenz, teils in der Universität am Sanderring, teils im Stadtgebiet verstreut, ist die Philosophische Fakultät II in einen Neubau Am Hubland ausgewandert.
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