Bulgarien: Sammelabschiebungen von Asylsuchenden

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[Human Rights Watch Deutschland - 29.04.2014] Bulgarien: Sammelabschiebungen von Asylsuchenden

Syrer und andere Flüchtlinge werden in die Türkei abgeschoben
Bulgarien versucht mit einem " Eingrenzungsplan" die Zahl der Asylsuchenden im Land zu reduzieren, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Der Plan wird zum Teil umgesetzt, indem Syrer, Afghanen und andere Flüchtlinge abgeschoben werden, wenn sie von der Türkei kommend irregulär die Grenze überschreiten.
Der 76-seitige Bericht "'"Containment Plan': Bulgarias Pushbacks and Detention of Syrian and other Asylum Seekers and Migrants" dokumentiert, wie der bulgarische Grenzschutz in den vergangenen Monaten vermeintliche Asylsuchende in die Türkei abgeschoben hat, oftmals unter Anwendung exzessiver Gewalt. Die Menschen wurden ohne angemessenes Verfahren über die Grenze zurückgedrängt und ohne dass sie Gelegenheit gehabt hätten, Asylantrag zu stellen. Bulgarien soll Sammelabschiebungen an der türkischen Grenze unterbinden, exzessive Gewalt durch Grenzschützer beenden dafür sorgen, dass die Bahndlung und Haftbedingungen für internierte Personen in Polizeistationen und Flüchtlingslagern verbessert werden.
"Wenn die Zahl der Menschen zunimmt, die Schutz suchen, kann die Antwort nicht darin bestehen, den Flüchtlingen die Tür vor der Nase zuzuschlagen", sagt Bill Frelick, Leiter des Flüchtlingsprogramms bei Human Rights Watch. "Der korrekte Weg kann nur sein, dass Bulgariens Behörden die Anträge der Asylsuchenden überprüfen und die Menschen anständig behandeln."
In der jüngeren Vergangenheit beherbergte Bulgarien keine größere Anzahl an Flüchtlingen. Während des vergangenen Jahrzehnts registrierte Bulgarien durchschnittlich rund 1000 Asylsuchende pro Jahr. Das änderte sich 2013, als über 11 000 Menschen Asylanträge stellten, mehr als die Hälfte davon Menschen, die aus Syrien vor Unterdrückung und Krieg geflohen waren. Trotz reichlicher Warnsignale, war Bulgarien für diesen Anstieg nicht gerüstet. In einem Bericht des Innenministeriums vom 5. Februar 2014 heißt es: "Bulgarien war bis Mitte 2013 völlig unvorbereitet auf den angekündigten Flüchtlingsstrom."
Human Rights Watch hat dokumentiert, dass es Bulgarien 2013 nicht gelang, Neuankömmlingen grundlegende humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. In den Auffangstellen fehlte es an Lebensmitteln und Unterkünften, nicht selten fehlten auch Heizungen, Fenster und angemessene sanitäre Einrichtungen. Human Rights Watch fand auch schlechte Haftbedingungen und brutale Behandlung während der Inhaftierung vor. Zudem gab es Unzulänglichkeiten in den Asylverfahren, häufig kam es beim Stellen von Asylanträgen zu langen Verzögerungen. Beim Umgang mit Migrantenkindern ohne Begleitung gab es Defizite, einschließlich bei der Benennung rechtlicher Vormunde. Außerdem fehlt es an brauchbarenProgrammen zur Unterstützung und Integration anerkannter Flüchtlinge.
Am 6. November beschloss die bulgarische Regierung neue Richtlinien, die eine irreguläre Einreise an der türkischen Grenze verhindern sollen. Im Rahmen dieses "Plans zur Eingrenzung" wurde die Zahl der Grenztruppen um 1500 erhöht, , ergänzt durch ein Kontingent Grenzschützer aus anderen EU Ländern, gestellt durch Frontex, die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Bulgarian begann zudem mit dem Bau eines Zauns entlang eines 33 Kilometer langen Grenzabschnitts zur Türkei.
Human Rights Watch interviewte 177 Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten an verschiedenen Orten in Bulgarien und der Türkei . 41 dieser Personen berichteten ausführlich über 44 Vorfälle, an denen mindestens 519 Personen beteiligt waren, die von bulgarischen Grenzschützern aufgegriffen und in die Türkei zurückgeschickt wurden, teilweise gewaltsam.
"Abdullah", ein afghanischer Asylsuchender der im Januar 2014 in der Türkei befragt wurde, berichtete, dass Grenzschützer ihn und andere gefangen hätten und sofort auf ihn eingeprügelten. Er zeigte Mitarbeitern von Human Rights Watch seine Narben.
"Nachdem er mich geschlagen hatte, brachte mich der Polizist zu seinem Vorgesetzten. Der zeigte auf seinen Stiefel, als ob ich Schuld sei, dass sein Stiefel dreckig sei", sagte Abdullah. "Also befahl er dem Soldaten, mich zu schlagen. Als erstes schlug er mir mit der Faust in den Bauch, dann schlug er mich mit dem Knauf seiner Waffe in den Rücken. Ich fiel hin und während ich am Boden lag, trat er mir in die Rippen. Einer der Knochen im unteren Rücken ist gebrochen… Sie schlugen mir weiter auf den Kopf und den Rücken, erst ein Soldat, dann ein anderer. Ich wollte fliehen, aber sie erwischten mich und prügelten mich weiter. Sie schlugen mich sogar noch, während sie mich zum Auto schleppten. Drei von uns steckten sie auf den Rücksitz des Jeeps.Ich dachte gar nicht an die Schmerzen, alles worum ich mir Sorgen machte waren meine Frau und mein Kind"von denen er getrennt wurde, als der Grenzschutz auftauchte.
Der Grenzpolizist sei 30 bis 45 Minuten gefahren, habe gehalten, dann sei es zu Fuß weiter gegangen, so Abdullah. "Während wir liefen, schlug er mich mit seinem Stock. Wir gingen ungefähr 200 Meter, die ganze Zeit über wurde ich geschlagen. Als wir die Grenze erreichten, zeigte der Soldatin Richtung der Türkei."
Mithilfe der Europäischen Union hat sich die humanitäre Lage in Bulgarien dieses Jahr verbessert, aber dies geht einher mit der Abschiebungsstrategie, einem drastischen Einbruch der Zahl neuankommender Asylsuchender und einem 27-prozentigen Rückgang gegenüber Ende 2013 der Zahl der Flüchtlinge, die Bulgarien beherbergt. Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet und die Regierung aufgefordert, Stellung zu Vorwürfen zu beziehen, dass Bulgariengegen EU-Bestimmungen verstoßen habe, indem man syrische Flüchtlinge durch Sammelabschiebungen abwies.
"Gegenüber den entsetzlichen Bedingungen, die wir Ende 2013 beobachtet haben, haben sich die Aufnahmebedingungen in Bulgarien verbessert", sagte Frelick. "Aber diese Verbesserungen verlieren an Glanz, wenn man sie im Kontext der bulgarischen Bemühungen sieht, Asylsuchende daran zu hindern, Flüchtlingsstatus zu beantragen - Bemühungen, die die Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingsrechten des Landes verletzen."
Der bulgarische Ministerrat bezeichnete das neue Vorgehen als "Plan für die Eingrenzung der Krise". Doch auch Bulgariens Migranten"krise" von 2013 sollte im Gesamtzusammenhang betrachtet werden: In den ersten fünf Wochen des Jahres 2014 gelang 99 Asylsuchenden der Übergang von der Türkei nach Bulgarien. Im selben Zeitraum kamen über 20 000 syrische Flüchtlinge in die Türkei, in das Land also, in das Bulgarien Asylsuchende zurückschickt. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen beherbergt die Türkei derzeit über 700 000 Syrer.
"Natürlich steht Bulgarien vor humanitären Herausforderungen und seine Kapazitäten, sich dieser Aufgabe zu stellen, sind begrenzt", sagte Frelick. "Aber selbst angesichts begrenzter Möglichkeiten zeugt eine Abschiebung von Menschen zurück über die Grenze nicht von Respekt für die Rechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten."

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