Das Genom des Blindmulls: Schlüssel für ein langes Leben ohne Krebs?

Kurzfassung: Das Genom des Blindmulls: Schlüssel für ein langes Leben ohne Krebs?Vor etwa 50 Millionen Jahren kühlt sich die Erde nach einer Hitze-Periode deutlich ab. Offenere Lebensräume wie Savannen entsteh ...
[Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) - 11.06.2014] Das Genom des Blindmulls: Schlüssel für ein langes Leben ohne Krebs?
Vor etwa 50 Millionen Jahren kühlt sich die Erde nach einer Hitze-Periode deutlich ab. Offenere Lebensräume wie Savannen entstehen, zahlreiche neue Arten bilden sich und passen sich an die veränderten Bedingungen an. Ein unscheinbares, rattengroßes Nagetier, der heute in Südosteuropa, Vorderasien und Nordafrika heimische Blindmull Spalax galili, entscheidet sich dabei für ein Leben unter Tage. Meist allein in seinen unterirdischen Gängen, findet er dort genug Wurzeln und Rüben als Nahrung und entgeht manchem Unbill an der Erdoberfläche. Augen werden nicht mehr gebraucht und überwachsen mit Fell. Die Kehrseite dieses Lebensstils ist jedoch anderer Stress: zu wenig lebensnotwendiger Sauerstoff, besonders wenn der Boden durch regionale Starkregen überflutet wird, und ein Zuviel an tödlichem Kohlendioxid. Doch Spalax passt sich perfekt an. Mit weniger als einem Drittel des normalerweise verfügbaren Sauerstoffs kann der Blindmull problemlos für viele Stunden ohne Schäden an empfindlichen Organen wie dem Gehirn überleben. Für Ratten oder Menschen wäre dies binnen kurzer Zeit tödlich, auch hiesige Maulwürfe können da nicht mithalten.
Dabei entwickeln sich weitere phantastisch klingende Fähigkeiten, die Biologen staunen lassen. Der Blindmull erreicht problemlos ein Alter von mehr als 20 Jahren, während seine engen Verwandten Maus und Ratte mit 3 Jahren bereits wahre Methusalems ihrer Art sind. Doch nicht genug, Spalax bekommt natürlicherweise und selbst nach einer Behandlung mit kanzerogenen Chemikalien im Labor keinen Krebs. Diese einzigartigen zellulären Mechanismen sind es, die den Blindmull für die Forschung hochgradig attraktiv machen. Hier kann die Wissenschaft untersuchen, wie Sauerstoffmangel etwa nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt, Krebs und Altern innovativ und erfolgreich zu bekämpfen wären.
Der potenzielle Schatz an biomedizinischem Wissen, der in Spalax ruht, wird nun mit Methoden der modernen Genomforschung untersucht. Ein internationales Konsortium, koordiniert von israelischen Wissenschaftlern der Universität Haifa um Prof. Dr. Eviatar Nevo, hat soeben die gesamte Erbinformation des Blindmulls entschlüsselt und initial ausgewertet. Daran beteiligt waren auch Molekulargenetiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).
Zwar liefert die Entschlüsselung des genetischen Bauplans nur die Vorarbeit zum Verständnis der Biologie von Spalax, doch die Mainzer Forscher fanden bereits auffällige Veränderungen in manchen Blutfarbstoff-Genen, die Teil der Anpassung an akuten Sauerstoffmangel sein könnten. Dem durch Kohlendioxidanhäufung im Blut erzeugten Säureschmerz entgeht der Blindmull durch eine Mutation in einem Schmerzrezeptor-Gen. Auch erste Hinweise auf die möglichen Ursachen der Krebstoleranz erhielt das Wissenschaftler-Konsortium. Durch eine auffällige Mutation im wichtigen Schaltergen p53 reduziert Spalax wohl den Prozess des kontrollierten Zell-Selbstmords (Apoptose), was den Verlust von Zellen nach Sauerstoffmangel-Stress minimieren kann. Die Apoptose ist aber eigentlich auch für die effiziente Beseitigung von Krebszellen erforderlich. Diese Schwächung überkompensiert Spalax möglicherweise durch besonders starke Aktivierung eines alternativen Weges, entartete Zellen zu entfernen.
Der Mainzer Arbeitsgruppenleiter Thomas Hankeln betont: "Wir haben durch die Genomsequenz jetzt jede Menge molekularer Ansatzpunkte. Aber erst weitere Forschung im Labor wird die genauen biologischen Zusammenhänge zu Tage fördern." Die Mainzer verfolgen dabei einen evolutionären Ansatz: "Wir wollen die Gene von Spalax im Detail mit denen eines zweiten besonderen Nagetiers vergleichen, nämlich des afrikanischen Nacktmulls. Er hat ähnliche Eigenschaften wie der Blindmull, ist aber nur ein sehr weit entfernter Verwandter. Beide Arten haben vermutlich ihre speziellen Überlebensfähigkeiten unabhängig und auf unterschiedliche Weise entwickelt. Aus dem Vergleich versprechen wir uns quasi doppelt so viele Hinweise auf neuartige Stoffwechselprozesse, die irgendwann für die Medizin nützlich sein könnten."
In den vom Land Rheinland-Pfalz unterstützen Arbeiten werden nun unter anderem durch "Next-Generation"-Sequenziertechnologien die Abläufe bestimmt, nach denen Mulle ihre Gene unter verschiedenen Stressbedingungen in einzelnen Organen aktivieren.
Foto:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/10_molekulargenetik_spalax_genom.jpg
Blindmull Spalax galili
Foto: Prof. Dr. Eviatar Nevo, Haifa, Israel
Veröffentlichung:
Xiaodong Fang et al.
Genome-wide adaptive complexes to underground stresses in blind mole rats Spalax
Nature Communications, 3. Juni 2014
DOI: 10.1038/ncomms49665:3966
Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hankeln, Dr. Hanno Schmidt
Institut für Molekulargenetik, gentechnologische Sicherheitsforschung und Beratung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-23277
E-Mail: hankeln@uni-mainz.de; schmi014@uni-mainz.de
http://molgen.biologie.uni-mainz.de/
Weitere Links:
http://www.nature.com/ncomms/2014/140603/ncomms4966/abs/ncomms4966.html
Weitere Informationen
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zählt mit rund 36.500 Studierenden aus über 130 Nationen zu den zehn größten Universitäten Deutschlands. Als einzige Volluniversität des Landes Rheinland-Pfalz vereint sie nahezu alle akademischen Disziplinen, inklusive Universitätsmedizin Mainz und zwei künstlerischer Hochschulen, unter einem Dach – eine in der bundesdeutschen Hochschullandschaft einmalige Integration. Mit 84 Studienfächern mit insgesamt 219 Studienangeboten, darunter 95 Bachelor- und 101 Masterstudiengängen sowie 6 Zusatz-, Aufbau- und Erweiterungsstudiengängen, bietet die JGU eine außergewöhnlich breite Palette an Studienmöglichkeiten. Rund 4.150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter 540 Professorinnen und Professoren, lehren und forschen in mehr als 150 Instituten und Kliniken (Stichtag: 01.12.2011, aus Landes- und Drittmitteln finanziert).Die JGU ist eine internationale Forschungsuniversität mit weltweiter Anerkennung. Dieses Renommee verdankt sie sowohl ihren herausragenden Forscherpersönlichkeiten als auch ihren exzellenten Forschungsleistungen in der Teilchen- und Hadronenphysik, den Materialwissenschaften, den Erdsystemwissenschaften, der translationalen Medizin, den Lebenswissenschaften, den Mediendisziplinen und den historischen Kulturwissenschaften.Die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird durch den Erfolg in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder bestätigt: Die JGU gehört zu den 23 Hochschulen in Deutschland, die es geschafft haben, sowohl eine Bewilligung für ein Exzellenzcluster als auch eine Bewilligung für eine Exzellenz-Graduiertenschule zu erhalten. Ihr Exzellenzcluster PRISMA, in dem vorwiegend Teilchen- und Hadronenphysiker zusammenarbeiten, und ihre materialwissenschaftliche Exzellenz-Graduiertenschule MAINZ zählen zur internationalen Forschungselite. Bis zu 50 Millionen Euro werden bis 2017 in diese beiden Projekte fließen.Zudem bestätigen gute Platzierungen in nationalen und internationalen Rankings sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen die Forschungserfolge der Mainzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diese Erfolge werden u.a. durch die einzigartigen Großforschungsanlagen der JGU ermöglicht, wie den Forschungsreaktor TRIGA und den Elektronenbeschleuniger MAMI, die Forscherinnen und Forscher aus aller Welt anziehen. Die forschungsorientierte Lehre – die gezielte und frühzeitige Einbindung von Forschungsinhalten in die Curricula – ist ein weiteres Profilmerkmal.Als einzige deutsche Universität ihrer Größe vereint die JGU fast alle Institute auf einem innenstadtnahen Campus, der zudem vier Partnerinstitute der außeruniversitären Spitzenforschung beherbergt. Ebenfalls auf dem Campus angesiedelt sind studentische Wohnheime und Kinderbetreuungseinrichtungen. Die klinischen und klinisch-theoretischen Einrichtungen der Universitätsmedizin liegen nur circa einen Kilometer entfernt.Die JGU versteht sich als "offene Universität" (civic university), als integraler Bestandteil der Gesellschaft, mit der sie eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Dies umfasst unter anderem das sogenannte lebenslange Lernen sowie den zügigen und umfassenden Wissens- und Technologietransfer.Zu Gutenbergs Zeiten im Jahr 1477 gegründet und nach 150-jähriger Pause 1946 von der damaligen französischen Besatzungsmacht wiedereröffnet, ist die Johannes Gutenberg-Universität Mainz dem Vorbild und dem internationalen Wirkungsanspruch ihres Namensgebers bis heute verpflichtet: innovative Ideen zu fördern und umzusetzen; Wissen zu nutzen, um die Lebensbedingungen der Menschen und deren Zugang zu Bildung und Wissenschaft zu verbessern; sie zu bewegen, die vielfältigen Grenzen zu überschreiten, denen sie täglich begegnen.
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU),
, 55122 Mainz, Deutschland
Tel.: ;
Weitere Meldungen dieses Unternehmens
Erfolgreiche Pressearbeit eBook
Pressearbeit
Eine Pflichtlektüre für mehr Sichtbarkeit durch Pressemitteilungen.
Pressekontakt

Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)

55122 Mainz
Deutschland

E-Mail:
Web:
Tel:
Fax:
Drucken Weiterempfehlen PDF
Schlagworte
Permanentlinks https://www.prmaximus.de/107192

https://www.prmaximus.de/pressefach/johannes-gutenberg-universität-mainz-jgu-pressefach.html
Die Pressemeldung "Das Genom des Blindmulls: Schlüssel für ein langes Leben ohne Krebs?" unterliegt dem Urheberrecht. Jegliche Verwendung dieses Textes, auch auszugsweise, erfordert die vorherige schriftliche Erlaubnis des Autors. Autor der Pressemeldung "Das Genom des Blindmulls: Schlüssel für ein langes Leben ohne Krebs?" ist Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), vertreten durch .