Aus der Fusionsforschung in die Medizintechnik

Kurzfassung: Aus der Fusionsforschung in die MedizintechnikFür seine Doktorarbeit machte sich Mathias Sommerer im IPP auf die Suche nach Ergebnissen aus der Fusionsforschung, die für die industrielle Anwendung n ...
[Max-Planck-Institut für Plasmaphysik - 26.11.2014] Aus der Fusionsforschung in die Medizintechnik
Für seine Doktorarbeit machte sich Mathias Sommerer im IPP auf die Suche nach Ergebnissen aus der Fusionsforschung, die für die industrielle Anwendung nutzbar sein könnten. Fündig wurde er bei den Wissenschaftlern, die die Wechselwirkung des heißen Fusionsplasmas mit den Wänden des umgebenden Gefäßes untersuchen. Hierfür entwickeln sie Materialien, die hohen Belastungen standhalten können.
Ziel der Fusionsforscher ist es, die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuahmen. Ein Fusionskraftwerk soll aus der Verschmelzung von Atomkernen Strom erzeugen. Weil das Fusionsfeuer erst bei einer Temperatur von über 100 Millionen Grad zündet, darf der heiße Brennstoff - ein dünnes Wasserstoffplasma - nicht in Kontakt mit den kalten Wänden kommen. Von Magnetfeldern gehalten, schwebt er nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer. Nur an genau definierten Stellen - im so genannten Divertor - hat das Plasma Wandkontakt. Für diese stark beanspruchten Bauteile hat sich Wolfram bewährt, das Metall mit dem höchsten Schmelzpunkt. Dies haben umfangreiche Untersuchungen im IPP gezeigt. Dabei hat man sich auch um eine Schwachstelle des ansonsten sehr robusten Materials gekümmert: Wolfram ist spröde und daher schwierig zu bearbeiten; bei Belastung bilden sich Risse und das Material kann brüchig werden.
In der Fusionsforschung hat man hierfür Lösungsansätze gefunden. Durch Legierungszusätze oder die besondere Mikrostrukturierung der Werkstoffe, die in verschiedenen Varianten im IPP und andernorts untersucht werden, lassen sich die Eigenschaften des Materials stark verbessern. Genau dies könnte laut Mathias Sommerer auch für andere Anwendungen interessant sein, etwa für die Anoden in Röntgen-Geräten, die ebenfalls aus Werkstoffen auf Wolframbasis gefertigt werden: "Die gepulste Wärmelast, die Röntgen-Anoden aushalten müssen, entspricht in etwa der Wechselbelastung, die in Fusionsanlagen bei bestimmten Plasma-Instabilitäten auf den Divertorplatten ankommt".
Die mit dem Element Rhenium legierten Wolfram-Varianten, die in der Industrie bislang eingesetzt werden, sind vergleichsweise kostenträchtig. Mathias Sommerer versuchte es daher nach dem Vorbild der Fusionsforschung mit reinem, aber besonders feinkörnig aufgebautem Wolfram: Bei Belastung sorgt die feinkörnige Mikrostruktur für kürzere Risse, die sich zudem weniger gut ausbreiten, weil sie an den vielen Korngrenzen aufgehalten werden.
Die für Bauteile von Fusionsanlagen entwickelten Herstellungsverfahren - zum Beispiel der Pulverspritzguss, der am Karlsruher Institut für Technologie untersucht wird - sind für die industriell gewünschten größeren und flachen Bauteile jedoch ungünstig. Mathias Sommerer nutzte daher eine neue Fertigungsmethode, das Foliengießen: Ein Schlicker aus pulverisiertem Wolfram und organischen Bindemitteln wird auf ein laufendes Transportband gegossen. Beim anschließenden Erhitzen bis auf rund 1800 Grad sintert das weiche Material zu einem festen Wolfram-Blech zusammen. Unter dem Rasterelektronenmikroskop im IPP zeigte sich dann der erwünschte feinkörnige Aufbau.
Akademisch betreut wurden diese Arbeiten an der Technischen Universität München von Prof. Dr. Ewald Werner vom Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Werkstoffmechanik in der Fakultät Maschinenwesen, die mit dem IPP durch eine gemeinsame Berufung verbunden ist. Die Finanzierung lief über die Siemens AG, deren Sparte Siemens Healthcare zu den großen Herstellern von Röntgengeräten in Europa zählt. Im Versuchslabor in Erlangen wird das mittlerweile zum Patent angemeldete Verfahren zurzeit getestet. Dabei werden die Probestücke mit einem Elektronenstrahl beschossen - ähnlich wie die Anode in einem Röntgengerät. Tatsächlich zeigte sich das erwartete günstigere Bruchverhalten. "Wir wollen nun herausfinden", sagt Siemens-Entwickler Dr. Steffen Walter, "ob die mit dem neuen Verfahren hergestellten Proben in der realen Anwendung über den heutigen Stand der Technik hinausführen." Zum Beispiel wird untersucht, ob höhere Standzeiten als bisher zu erreichen sind. "Obwohl der Folienguss noch verbessert werden kann", meint Mathias Sommerer, "hat es sich schon jetzt gezeigt, dass Kenntnisse aus der Fusionsforschung die Entwicklung industrieller Anwendungen antreiben können und es sich lohnt, nach Synergien zu suchen."

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