HAHN-Gastkommentar für die "Frankfurter Rundschau

  • Pressemitteilung der Firma FDP-Bundesgeschäftsstelle, 13.07.2012
Pressemitteilung vom: 13.07.2012 von der Firma FDP-Bundesgeschäftsstelle aus

Kurzfassung: HAHN-Gastkommentar für die "Frankfurter Rundschau" Berlin. FDP-Präsidiumsmitglied JÖRG-UWE HAHN, stellvertretender Ministerpräsident, Justiz- und Europaminister in Hessen, schrieb für die "Frankfurter Rundschau" (heutige Ausgabe) den ...

[FDP-Bundesgeschäftsstelle - 13.07.2012] HAHN-Gastkommentar für die "Frankfurter Rundschau"


Berlin. FDP-Präsidiumsmitglied JÖRG-UWE HAHN, stellvertretender Ministerpräsident, Justiz- und Europaminister in Hessen, schrieb für die "Frankfurter Rundschau" (heutige Ausgabe) den folgenden Gastkommentar:

Europa braucht eine Verschnaufpause

Wenn Parlamentarier immer weiter reichende Entscheidungen in immer kürzerer Zeit treffen müssen, stößt die parlamentarische Demokratie an ihre Grenzen. Ein trauriges Beispiel war die Abstimmung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) am 29. Juni. Zum Zeitpunkt der Stimmenabgabe durch die Abgeordneten war bereits bekannt, dass auf Ebene der Staats- und Regierungschefs weitreichende Änderungen vereinbart wurden.

Die Haushalts- und Finanzkrise hat sich zum Motor der Europäischen Integration entwickelt, einem Motor mit hoher Drehzahl und unklarem Ziel. Bundespräsident Gauck hat recht, wenn er mehr Information und Aufklärung über die Krisenmaßnahmen einfordert. Wenn Bürger und Parlamente vom Entscheidungstempo abgehängt werden, verlieren wir am Ende die Unterstützung für dieses einmalige Friedensprojekt.
Noch nie in der Geschichte der Europäischen Einigung waren einzelne Schritte in Deutschland so umstritten wie die aktuellen Maßnahmen. Ein Warnsignal, das man ernst nehmen sollte. Mag es derzeit ein deutsches Phänomen sein, eine antieuropäische Entwicklung ist es nicht. Die Anrufung des obersten Gerichtes durch Staatsbürger ist ein vitaler rechtsstaatlicher Reflex, den es zu respektieren gilt. Die Kritik daran entbehrt jeder Grundlage. Die Aufforderung des Bundespräsidenten, innezuhalten, mit den Menschen zu reden und (erst) dann zu entscheiden ist deshalb weder naiv noch romantisch. Gauck beweist erneut sein Gespür für die Befindlichkeiten der Menschen und setzt ein richtiges Signal der Ruhe und der Behutsamkeit. Was Europa jetzt braucht, ist eine Verschnaufpause.

Der bisher eingeschlagene Weg, immer stärker Kompetenzen aus der nationalen Entscheidung weg zu verlagern und zugleich eine parlamentarische Kontrolle zu organisieren, stößt an Grenzen. Dieser Weg ist endlich und zudem unendlich kompliziert. Immer feiner wird das Netz der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte. Schon heute sind Bundestag und Bundesrat schlicht überfordert. Daran werden auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kaum etwas ändern, die den Parlamenten weitgehende Informationsrechte zubilligen. Parlamente müssen auch in der Lage sein, Informationen in angemessener Zeit zu beraten. Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte verkommen zu einem demokratietheoretischen Placebo, wenn man aufgrund der europapolitischen Staatsräson nicht mehr in der Lage ist, auch einmal "Nein" zu sagen.

Die Krise schert sich wenig um Zuständigkeiten und schafft Problemlagen, die vom Vertrag von Lissabon nicht erfasst sind. Das stimmt. Der Unterschied zu vorangegangenen Krisen ist jedoch, dass mit den aktuellen Maßnahmen neue, dauerhafte Strukturen, etwa der ESM, geschaffen werden, deren Auswirkungen wir nur erahnen können. Die Verzerrung der Balance zwischen Parlamenten und Regierungen ist somit auf Dauer angelegt, und darin besteht die eigentliche Gefahr. Es stellt sich die Überlebensfrage für die Demokratie. Es ist verständlich, dass manche im Windschatten der Krise darauf zielen, dass die wichtigen Entscheidungen künftig zentral auf der europäischen Ebene gefällt werden. Man kann sogar den Eindruck gewinnen, dass jenen das Ende der Krise zu schnell naht. Hat sie sich doch als Integrationskatalysator prima bewährt. In der aktuellen Situation aber weitere Schritte der europäischen Integration zu gehen, die über die Krisenbekämpfung hinausgehen, würde die parlamentarische Demokratie in Deutschland weiter gefährden.

Der Vorschlag des Finanzministers, eine vertiefte Integration mittels Volksabstimmung zu initiieren, ist daher abzulehnen. Eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten und ein Initiativrecht für das Europäische Parlament würden weder helfen, die Krise zu bewältigen, noch würden diese Schritte Europa den Bürgern näher bringen. Warum sollten Europaparlamentarier weniger überfordert sein als die nationalen Abgeordneten? Eine Volksabstimmung würde letztlich das Ziel verfolgen, den Integrationsradius des Grundgesetzes zu erweitern. Mit einer solchen Abstimmung würde kommenden Integrationszyklen eine unerschöpfliche Legitimation verliehen, ohne dass einzelne Schritte den Menschen mühevoll erklärt werden müssten. Für den Bürger wäre eine Volksabstimmung die Katze im Sack, bei der die europäische Idee dem exekutiven Pragmatismus weichen würde. Es ärgert mich, wenn der Vorschlag einer vertieften Integration mit der aktuellen Krise begründet wird. Krisenbewältigung und politische Union sind verschiedene Paar Schuhe. Eine politische Union ist kein Selbstzweck. Erst wenn der Beweis erbracht ist, dass das fiskalische Fundament der Union stabil ist, sollte über weitere Schritte nachgedacht werden. Den Menschen mit Hilfe von Krisenrhetorik bereits jetzt weitere Integrationsschritte abzutrotzen, entfernt Europa weiter vom Bürger und schadet der europäischen Idee.


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