Pressemitteilung: Kabinett beschließt modernen Vollzug der Sicherungsverwahrung

  • Pressemitteilung der Firma Bundesministerium der Justiz (BMJ), 07.03.2012
Pressemitteilung vom: 07.03.2012 von der Firma Bundesministerium der Justiz (BMJ) aus Berlin

Kurzfassung: Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Die Bundesregierung hat heute einen ...

[Bundesministerium der Justiz (BMJ) - 07.03.2012] Pressemitteilung: Kabinett beschließt modernen Vollzug der Sicherungsverwahrung


Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und der vorausgehende Strafvollzug grundsätzlich reformiert werden. Die Reform ist im Interesse von Bund und Ländern. Die Sicherungsverwahrung eignet sich nicht für die schnelle Schlagzeile. Das ist die Lehre aus den gesetzgeberischen Mängeln der Jahre 1998 bis 2004.

Das Bundeskabinett zieht die Lehren aus einer bruchstückhaft und handwerklich mangelhaften Gesetzgebung der Bundesregierung Schröder.

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner wegweisenden Entscheidung vom Mai 2011 werden nun eins zu eins umgesetzt. So wird garantiert, dass die Sicherungsverwahrung über das Jahr 2013 hinaus überhaupt Bestand haben kann. Die Sicherungsverwahrung kann nur ein taugliches Instrument zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger bleiben, wenn sie verfassungsfest geregelt ist und deshalb nicht erneut durch das Bundesverfassungsgericht beanstandet werden muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in den Ländern beanstandet. Der neue Gesetzentwurf ist bei aller gebotenen Eile in intensiver, enger Abstimmung mit den Bundesländern erarbeitet worden. Aufgrund des heute beschlossenen Entwurfs können die Länder ihre Vollzugsgesetze vorantreiben. In den Anstalten können die räumlichen und personellen Voraussetzungen geschaffen und der Alltag neu ausgerichtet werden.

Der Gesetzentwurf schreibt nach den Vorgaben aus Karlsruhe vor, dass durch intensive Betreuung die Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit so weit wie möglich zu mindern ist. Die Gerichte werden künftig überprüfen, ob die Betreuung auch in dem Maß angeboten wird, wie das Verfassungsgericht es fordert. Niemand soll freigelassen werden müssen, nur weil er nicht therapiert werden will oder therapiert werden kann.

Die Neuordnung hat den Flickenteppich vergangener Gesetze beendet und ist 2010 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und denen der SPD verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Weichenstellungen der Neuordnung der Sicherungsverwahrung, die zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, bestätigt. Die Weichenstellungen waren richtig und werden nicht verändert. Der heutige Gesetzentwurf ergänzt die Reform aus dem Jahr 2010 um die durch die Rechtsprechung notwendig gewordenen Vorgaben zum Abstandsgebot zwischen der Sicherungsverwahrung und dem normalen Strafvollzug in der Länderpraxis.

Zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hat am 4. Mai 2011 die Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Für eine Neuregelung hat es den Gesetzgebern in Bund und Ländern eine zweijährige Übergangsfrist gesetzt.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass der verfassungsrechtlich gebotene Abstand zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung strikt beachtet wird. Regelungsbedarf ergibt sich aus dem Urteil also für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in den Ländern. Wer in der Sicherungsverwahrung untergebracht ist, hat bereits eine Gefängnisstrafe voll verbüßt. Anknüpfungspunkt für den Entzug der Freiheit ist der Schutz der Allgemeinheit vor der Gefahr, die weiter von dem Untergebrachten ausgeht. Deshalb müssen Sicherungsverwahrte anders behandelt werden als Strafgefangene. Das ist das so genannte Abstandsgebot, um das es im Kern der Entscheidung geht. Die in den Ländern praktizierte Sicherungsverwahrung erfüllt bisher nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Abstandsgebots bei der Ausgestaltung des Vollzugs.

Das Bundesverfassungsgericht hat bei der konkreten Ausformulierung des Abstandsgebots im Gesetz sowohl den Bund als auch die Länder in die Pflicht genommen. Dem Bund hat das Gericht aufgegeben, wesentliche Leitlinien aufzustellen. Der bundesgesetzliche Teil zur Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben zum Abstandsgebot ist im vergangenen Jahr in enger Abstimmung mit den Ländern ausgearbeitet worden. Dabei sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts strikt beachtet worden. Denn nur wenn die Leitlinien diesen Vorgaben genau folgen, wird das unverzichtbare Instrument der Sicherungsverwahrung verfassungsfest und kann überhaupt beibehalten werden.

Im Kern geht es dabei um detaillierte Vorgaben zur Therapierung der verurteilten Täter schon während ihrer Strafhaft und später in der Sicherungsverwahrung. Den Tätern muss eine intensive und individuell zugeschnittene, insbesondere sozialtherapeutische Behandlung angeboten werden. Wenn nötig müssen ihnen auch motivierende Anreize vermittelt werden. Damit Umsetzungsprobleme frühzeitig erkannt und behoben werden können, sollen die Möglichkeiten einer Behandlung sowohl in der Strafhaft als auch später in der Sicherungsverwahrung regelmäßig vom Gericht überprüft werden.

Aufgrund des heute beschlossenen Entwurfs können die Länder ihre Vollzugsgesetze vorantreiben. In den Vollzugsanstalten können die räumlichen und personellen Voraussetzungen geschaffen und der Alltag neu ausgerichtet werden.

Ein wichtiger Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts betraf frühere Verschärfungen der Sicherungsverwahrung, insbesondere Neuerungen aus den Jahren 1998 und 2004. Das Gericht kritisierte die rückwirkende Anwendung dieser Verschärfungen und die nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung nach früherem Recht. Diese Beanstandungen im Urteil beziehen sich also nicht auf alle Sicherungsverwahrten. Es geht vielmehr um bestimmte Altfälle.

Auch für diese Altfälle haben die Richter in Karlsruhe konkrete Vorgaben gemacht, unter welchen Voraussetzungen Sicherungsverwahrte trotzdem zunächst untergebracht bleiben dürfen. Diese Übergangsregelung schreibt der vorgelegte Gesetzentwurf fort, so dass auch bei den Altfällen hochgefährliche Täter, von denen auf Grund einer psychischen Störung die Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualstraftaten ausgeht, im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit über 2013 hinaus untergebracht bleiben können.

Im Übrigen bleibt es bei den grundlegenden Weichenstellungen der Neuordnung, die seit Anfang 2011 gilt und die damals im Bundestag auch die Zustimmung der SPD-Fraktion fand. Unangetastet bleibt der Katalog der Anlasstaten bestehen, der im Wesentlichen auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten eingeengt wurde. Diebe, Betrüger und Urkundenfälscher sollten nach der Neuordnung gerade nicht mehr in Sicherungsverwahrung kommen können. Dies entspricht der Grundausrichtung des Urteils. Die Verfassungsrichter betonten, dass die Sicherungsverwahrung nur letztes Mittel sein kann und eng begrenzt sein muss.

Unangetastet bleibt auch die Abkehr von der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Strafhaft. Sie wurde durch eine Ausweitung der Instrumente der primären und insbesondere der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ersetzt.

Auch im Jugendstrafrecht soll nun die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Strafhaft durch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ersetzt werden.

Daneben bleibt das ebenfalls seit dem vergangenen Jahr geltende Therapieunterbringungsgesetz bestehen. Es kommt insbesondere für die Personen in Betracht, die auf Grund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden sind. Auch dies dient dem Schutz der Bevölkerung vor hochgefährlichen Wiederholungstätern.


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