100-Tage-Bilanz der Regierung Bouffier: Gebrochene Versprechen, Polizeiaffären, rechtswidrige Auftragsvergaben, Atomsteuerpleiten – wo soll Hessen mit

  • Pressemitteilung der Firma Bündnis 90/Die Grünen Hessen, 02.12.2010
Pressemitteilung vom: 02.12.2010 von der Firma Bündnis 90/Die Grünen Hessen aus Wiesbaden

Kurzfassung: Als "ideen- und konzeptionslos" haben die GRÜNEN die ersten 100 Tage der Amtszeit des neuen Ministerpräsidenten Volker Bouffier bezeichnet. "Volker Bouffier musste lange darauf warten, Regierungschef zu werden. Wir hätten erwartet, dass er sich ...

[Bündnis 90/Die Grünen Hessen - 02.12.2010] 100-Tage-Bilanz der Regierung Bouffier: Gebrochene Versprechen, Polizeiaffären, rechtswidrige Auftragsvergaben, Atomsteuerpleiten – wo soll Hessen mit Ihnen hin, Herr Bouffier?


Als "ideen- und konzeptionslos" haben die GRÜNEN die ersten 100 Tage der Amtszeit des neuen Ministerpräsidenten Volker Bouffier bezeichnet. "Volker Bouffier musste lange darauf warten, Regierungschef zu werden. Wir hätten erwartet, dass er sich in dieser Zeit auf die neue Aufgabe vorbereitet und eine klare Agenda hat. Stattdessen ist bis heute völlig unklar, wohin es mit Hessen unter Herrn Bouffier gehen soll. Statt mit Ideen und Konzepten fällt die Regierung bislang nur mit gebrochenen Versprechen, Affären bei der Polizei, rechtswidrigem Handeln im Finanzministerium und als parlamentarischer Arm der Atomwirtschaft auf. Volker Bouffier droht nach Jahren als Prinz Charles der Landespolitik nahtlos zum hessischen Günther Beckstein zu werden: Ein Mann des Übergangs, der an der Verwaltung der Konkursmasse seines Vorgängers scheitert", erläutert der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Landtag, Tarek Al-Wazir.

Keine Antwort auf die zentralen Herausforderungen

"Es gibt nach 11 Jahren Roland Koch genug zu tun: Hessen ist im Bundesländervergleich auf einem Abstiegsplatz bei den Fragen von zukunftsfähiger Energie- und Klimapolitik angekommen. Die Bildungspolitik ist weiterhin höchstens Mittelmaß und gibt keine Antwort auf die zentrale Frage, wie die seit der Pisa-Untersuchung vor inzwischen zehn Jahren bekannte ‚Risikogruppe‘ zu besseren Schulerfolgen gebracht werden kann. Es ist zwar schön, dass Bouffier erkannt hat, dass sozialer Zusammenhalt wichtig ist, wir haben aber keine wesentlichen Veränderungen in der Sozialpolitik des Landes oder gar Initiativen Hessens gegenüber der kaltherzigen Politik der Bundesregierung erkennen können. In der Wirtschaftspolitik ist im Wesentlichen das alte Mantra von mehr Straßen und Flughäfen zu vernehmen", so Al-Wazir. Gleichzeitig holen die Altlasten der letzten Jahre den Regierungschef ein. "Es brodelt in der hessischen Polizei und DIE GRÜNEN stechen regelmäßig neue üble Blasen in der Vergabepraxis im IT-Bereich auf, deren Geruch immer übler wird."

Auch die neuen Mitglieder der Landesregierung blieben im Wesentlichen auf dem alten Kurs. "Lucia Puttrich ist nach 100 Tagen schon fester Bestandteil der Atomwirtschaft geworden, sie verlängert widerstandslos die Laufzeiten des Atommeilers Biblis, hat keine Ahnung, wo der dadurch wachsende Atommüllberg hin soll und ist von einem zukunftsweisenden Energiekonzept so weit entfernt wie ihre Vorgängerin. Dafür lässt sie sich von RWE angesichts des 280-Millionen-Tricks zur Umgehung der Brennelementesteuer lächerlich machen. Der neue Sozialminister Grüttner tritt in die Fußstapfen seines Vorgängers Banzer (beide CDU) und verweigert den Kommunen die versprochene Finanzierung eines höheren Personalschlüssels in der Kinderbetreuung. Außerdem hält der neue Finanzminister Schäfer daran fest, den Kommunen 360 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich zu streichen, scheint aber keine Ideen für die längst überfällige Neustrukturierung des Kommunalen Finanzausgleichs zu haben. Gleichzeitig schwankt der neue Innenminister Rhein zwischen dem Willen zum Zusammenkehren des Scherbenhaufens bei der Polizei und der Angst, dass der Verursacher des Scherbenhaufens, der heutige Ministerpräsident, zu sehr ins Blickfeld gerät", bedauert Al-Wazir.

"Es ist schön, dass Volker Bouffier netter sein will als Roland Koch. Aber nachdem er in seinen Reden allen gedankt und die Schönheit Hessens beschrieben hat, wäre es auch ganz nett zu erfahren, was er konkret für unser Land tun will."

Ein Umsteuern ist dringend nötig

In der Verkehrspolitik dominieren sinnlose Millionenprojekte wie der unnötige Ausbau des Flugplatzes Kassel-Calden oder der Weiterbau der Autobahnen 44 und 49 anstelle ökologisch sinnvoller Infrastrukturmaßnahmen. Nordhessen steht inzwischen, ganz ohne diese Projekte, besser da als das Rhein-Main-Gebiet. "Dies ist vor allem auf 12.000 zusätzliche Arbeitsplätze bei Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien zurückzuführen, aber selbst die Arbeitslosenstatistik der letzten Monate bringt die Ideologen in der Landesregierung nicht dazu, die Wirklichkeit anzuerkennen. Leider hat auch Bouffier noch immer nicht erkannt, dass er sich die Kosten von mindestens 225 Millionen Euro für den Flugplatz Kassel-Calden sparen kann.

In der Bildungspolitik findet auch nach fast zwei Jahren Verantwortung von Dorothea Henzler nach wie vor kein Aufbruch an den Schulen statt – mit ihrem Schulgesetzentwurf und den Kürzungen im Kultusetat wird sie diesen auch nicht organisieren können. Das Schneckentempo beim Ausbau der Ganztagsangebote geht weiter, die 105-prozentige Lehrerversorgung liegt noch immer in weiter Ferne und auch die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans stagniert. Für uns wird die Frage immer dringender: Was macht Frau Henzler eigentlich den ganzen Tag?", fragt Al-Wazir.

Und auch die Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann scheint nicht zu verstehen, welche wichtige Aufgabe die Hochschulen für die Zukunft unserer Gesellschaft haben – ökonomisch wie geistig. "Natürlich haben die Fachminister die Verantwortung für ihre Ressorts, aber bei so offenkundigen Problemen ist am Ende der Ministerpräsident gefragt: In welche Zukunft wollen Sie Hessen steuern, Herr Bouffier?", fragt Al-Wazir, angesichts der desolaten Bilanz der schwarz-gelben Koalition.

Der angekündigte neue Stil sei bei weiten Teilen der Regierungskoalition noch nicht angekommen. "So lobenswert hervorzuheben die Einigung von Schwarz-Gelb mit SPD und GRÜNEN bei der Verankerung der Schuldenbremse in der hessischen Verfassung ist, so unnötig sind die stillosen Pöbeleien von Koalitionsabgeordneten. Beschimpfungen der Opposition, beispielsweise in Sachen Polizeiskandale oder bei der Frage der Vergaben im IT-Bereich, können nicht von den zugrunde liegenden Problemen ablenken. Die Polizei braucht eine neue Führungskultur und Vergaben müssen rechtlich einwandfrei erfolgen. Da gibt es konkrete Probleme, und da hilft es nicht, die Überbringer der schlechten Nachricht zu beschimpfen", so Al-Wazir.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kündigten an, an ihrer Linie konkreter, ausgearbeiteter Konzepte für die Landespolitik festzuhalten und immer wieder darauf hinzuwirken, dass sich die Landespolitik in der Sache ändert. "Es ist zwar ungewöhnlich, dass in Finanzfragen eine Oppositionspartei ausgearbeitete Konzepte für Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Einnahmeerhöhungen zur Umsetzung der Schuldenbremse hat und die Regierung offensichtlich keinen blassen Schimmer. Aber das bestärkt uns eher, auf unserem Kurs der konkreten Vorschläge zu bleiben. Schlimm genug, wenn eine Regierung auf die zentralen Fragen keine Antworten hat. Umso dringender ist es, dass wenigstens die Opposition an den Zukunftsfragen arbeitet", so Al-Wazir.


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