Multiple Sklerose: beschädigtes Myelin ist nicht der Auslöser

  • Pressemitteilung der Firma Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 27.02.2012
Pressemitteilung vom: 27.02.2012 von der Firma Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aus

Kurzfassung: Mainz, Zürich - Schäden im Myelin von Gehirn und Rückenmark führen nicht zur Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS). Diesen Nachweis erbringen Neuroimmunologen der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit Forschern aus Berlin, Leipzig, ...

[Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 27.02.2012] Multiple Sklerose: beschädigtes Myelin ist nicht der Auslöser


Mainz, Zürich - Schäden im Myelin von Gehirn und Rückenmark führen nicht zur Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS). Diesen Nachweis erbringen Neuroimmunologen der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit Forschern aus Berlin, Leipzig, Mainz und München. In der aktuellen Ausgabe von "Nature Neuroscience" verwerfen sie damit eine gängige Hypothese zur Entstehung von MS. Nun suchen die Wissenschaftler die Ursache für die Entwicklung von MS vor allem im Immunsystem und nicht mehr im Zentralnervensystem.

Millionen Erwachsene leiden an der unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose (MS). Als relativ gesichert gilt, dass MS eine Autoimmunerkrankung ist, bei der körpereigene Abwehrzellen das Myelin in Gehirn und Rückenmark angreifen. Dieses Myelin umhüllt die Nervenzellen und ist wichtig für deren Funktion, Reize als elektrische Signale weiterzuleiten. Zur Entwicklung einer MS existieren zahlreiche ungesicherte Hypothesen. Eine davon verwerfen nun die Neuroimmunologen in ihrer aktuellen Arbeit: Sterbende Oligodendrozyten, wie die Myelin-bildenden Zellen genannt werden, lösen MS nicht aus.

Neurodegenerative Hypothese überholt

Die Forscher widerlegen mit ihrer Forschung die so genannte «neurodegenerative Hypothese». Diese stützte sich auf die Beobachtungen, dass manche Patienten charakteristische Myelinschäden ohne erkennbaren Immunangriff aufwiesen. In der gängigen Hypothese gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die MS-auslösenden Myelinschäden ohne Beteiligung des Immunsystems entstehen. In diesem Szenario wäre die gegen das Myelin gerichtete Immunantwort das Ergebnis – und nicht die Ursache – dieses pathogenen Prozesses.

Mit ihrer Forschungsarbeit beabsichtigten die beteiligten Forscher, diese Hypothese anhand eines neuen Mausmodells zu bestätigen oder zu widerlegen. Durch genetische Tricks erzeugten sie Myelindefekte ohne die Immunabwehr zu alarmieren. «Zu Beginn unserer Arbeit fanden wir Myelinschäden, die sehr stark den bisherigen Beobachtungen an MS-Patienten glichen», erklärt Burkhard Becher, Professor an der Universität Zürich. Und ergänzt: «Wir konnten jedoch nie die Entwicklung einer MS-ähnlichen Autoimmunerkrankung beobachten.» Um herauszufinden, ob eine aktive Immunabwehr aufgrund einer Infektion zusammen mit Myelinschäden zur Erkrankung führt, haben die Forscher eine Vielzahl weiterer Experimente durchgeführt – ohne Erfolg. Dazu Ari Waisman, Professor in der Universitätsmedizin Mainz: «Es ist uns nicht gelungen, eine MS-ähnliche Erkrankung nachzuweisen, egal wie stark wir das Immunsystem auch angestachelt haben. Wir erachten die neurodegenerative Hypothese deshalb als überholt.»

Fokus aufs Immunsystem

Die an der Studie beteiligten Arbeitsgruppen wollen weiter an der Ursache und Entstehung von MS forschen. So Professor Thorsten Buch, von der Technischen Universität München: «Aufgrund dieser und weiterer neuer Erkenntnisse wird sich die Forschung an der Krankheitsentstehung der MS in Zukunft sicherlich weniger auf das Gehirn, sondern mehr auf das Immunsystem konzentrieren.»

Literatur:

Giuseppe Locatelli, Simone Wörtge, Thorsten Buch, Barbara Ingold, Friederike Frommer, Bettina Sobottka, Martin Krueger, Khalad Karram, Claudia Bühlmann, Ingo Bechmann, Frank L. Heppner, Ari Waisman and Burkhard Becher. Primary oligodendrocyte death does not elicit anti-CNS immunity. Nature Neuroscience. 26 February, 2012. Doi: 10.1038/nn.3062

Weitere Informationen:

Prof. Ari Waisman, Institut für Molekulare Medizin, Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131 17-9129, Fax 06131-17-9039, E-Mail: waisman@uni-mainz.de


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