Rede von Laila Soliman anlässlich der Verleihung des Willy-Brandt-Sonderpreises für besonderen politischen Mut

  • Pressemitteilung der Firma SPD, 25.10.2011
Pressemitteilung vom: 25.10.2011 von der Firma SPD aus Berlin

Kurzfassung: Im Rahmen der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises, mit dem Personen oder Organisationen für besondere Verdienste und großes Engagement für die internationale Verständigung ausgezeichnet und gewürdigt werden, erhielt die ...

[SPD - 25.10.2011] Rede von Laila Soliman anlässlich der Verleihung des Willy-Brandt-Sonderpreises für besonderen politischen Mut


Im Rahmen der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises, mit dem Personen oder Organisationen für besondere Verdienste und großes Engagement für die internationale Verständigung ausgezeichnet und gewürdigt werden, erhielt die ägyptische Regisseurin Laila Soliman einen Sonderpreis für besonderen politischen Mut. Hierzu hat sie folgende Rede gehalten (Es gilt das gesprochene Wort!):

Ich danke Ihnen sehr für diese Ehre, die sie mir erteilen, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob sie mir auch wirklich zusteht.

Was die ägyptische Revolution auszeichnet, ist, dass sie keine Führer oder Sprecher hatte, und somit behaupte ich jetzt keineswegs eine zu sein. Ich bin nur eine von 86 Millionen, eine Theatermacherin, und ich habe meine Zweifel im Rampenlicht zu stehen, aus Gründen, die nicht mit Kunst zu tun haben.

Somit glaube ich eher, dass ich es dem Zufall verdanke hier vor Ihnen zu stehen. Dies und vielleicht der Tatsache, dass ich ihren Vorstellungen einer Revolutionärin entspreche; jung, unverschleiert, gebildet, nicht religiös, kurz jemand, mit dem Sie sich identifizieren können.

Ich komme aus einer Welt, wo politische Parteien keine relevante Rolle spielten. Die SPD kenne ich nur aus der Ferne, aus dem Geschichtsbuch der Deutschen Schule in Kairo, und ab und zu vernahm ich ferne Nachrichten darüber.

Ich entschied mich doch diesen Preis anzunehmen, und ihn denjenigen zu widmen, die ihn mehr verdienen als ich. Sie kennen sie nicht, weil sie eine andere Sprache sprechen, eine andere Religion und ihnen andere Hindernisse auferlegt worden sind. Sie haben auch nicht die Mittel sich mittels der Kunst auszudrücken, wie ich es tue. Aber sie haben viel mehr geopfert als ich. Sie haben ihre Arbeit und ihre Sicherheit aufgegeben, sie haben sich großen Gefahren ausgeliefert, ohne vorauszuahnen, wie der Kampf ausgehen wird, und ob sie die Früchte der Revolution erleben werden.

Mehr als tausend Menschen sind seit dem 25. Januar 2011 gefallen.
Wir nennen sie Märtyrer, ein Märtyrer ist jemand, der sein Leben für die Freiheit und Würde der Anderen geopfert hat.
Erst neulich sind wieder 27 Märtyrer gefallen, am 9. Oktober. Diesmal vom eigenen Militär angeschossen und überrollt.
Zweifellos hat die Armee 27 ihrer eigenen Bürger ermordet.

Der 9. Oktober war einer der traurigsten und zugleich brutalsten Tage seit Beginn der Revolution und unserer Geschichte, wage ich zu behaupten.
Es wird eine brutale und gnadenlose Kampagne gegen die Ägypter geführt, die nur darauf zielt das Land zu destabilisieren, damit die Menschen sich nach dem alten Regime, sprich der Stabilität, zurücksehnen.

Was ist bloß ihr Ziel?
Warum treiben sie unser Land an den Rand eines sektiererischen Bürgerkriegs?
Was sind ihre wirklichen Gründe, die darauf zielen, die Revolution zu zerstören?
Und rechtfertigt das all diese Gewalt?

Ich würde gerne heute vor Ihnen stehen und gute Nachrichten aus Ägypten überbringen.
Ich würde heute gerne mit Ihnen den Geist des Friedens teilen, aber leider kann ich das nicht.
Die zahllosen Attacken auf Zivilisten haben viele Formen angenommen, ob sie vor der Kamera passieren oder für die Augen versteckt sind.
Sie haben ganz und klar bewiesen, dass nicht mehr viel Hoffnung von diesem brutalen Militärregime zu erwarten ist, selbst wenn sie weiterhin behaupten, sie seien nur eine Übergangsregierung.

Die seit dem 25. Januar tausend Gefallenen, die 9 Tausend Verletzten und die eingeschätzt
13 Tausend vom Militär Verurteilten zeigen ganz klar, dass dieses Regime andere Ambitionen hat und nicht gewillt ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit wir in einer sozial gerechten und weniger korrupten Gesellschaft leben.

Ungeahndet missbrauchen sie ihre Macht und zeigen nur, dass sie bis heute von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert werden.

Der Kopf ist gefallen, aber der Körper ist noch da und genest auf geschwinde Art und Weise.

Freunde von mir, Revolutionäre, haben in den letzten Monaten den Zorn des alten Regimes auf sich gezogen. Sie wurden auf brutale Weise gefoltert und erschienen vor Militärgerichten, wo sie zu Unrecht beschuldigt worden sind.

Militärgerichte sind keineswegs vergleichbar mit Zivilgerichten.
Der Angeklagte hat weder das Recht auf eine faire Verteidigung, noch wird ihm eine unabhängige Ermittlung gestattet. Zusammen mit 30 anderen wird er schuldig gesprochen.
Und es werden ihm "Fakten" unterstellt.

Die konkrete Zahl kennen wir nicht, aber vorläufige Schätzungen berufen sich auf 13 Tausend Personen. Es ist eine vage Schätzung, weil keine Transparenz zugelassen wird, das Regime beharrt auf Geheimhaltung.

Diejenigen, die entlassen worden sind, sind noch mal mit Glück davon gekommen, auch wenn sie gefoltert wurden, weil die anderen zu Jahren verurteilt wurden, oder womöglich getötet worden sind.

Diesbezüglich nehme ich heute die Gelegenheit wahr, Sie darauf anzusprechen.
Ich weiß, dass sich unter Ihnen Menschen befinden, die Macht besitzen.
Ich weiß, dass sich unter Ihnen Individuen befinden, die Änderung hervorbringen können innerhalb eines Tages, wobei andere dafür ein Leben lang brauchen.

Ich will nicht nur eine weitere junge, "emanzipierte” Frau sein, die Ihre Sprache spricht, und einen weiteren Preis von Europäern entgegennimmt, im Namen der Freiheit und Demokratie.
Ist die Aufhäufung von Preisen vielleicht ein Anzeichen dafür, dass die europäischen Politiker versuchen ihr schlechtes Gewissen zu reinigen und ihr Image aufzupolieren, um die Spuren der Vergangenheit zu verwischen? Oder ist es nur meine Einbildung?

Die europäische Außenpolitik im Umgang zu ihren Nachbarn war gewiss fragwürdig, fast feige.
Über Jahrzehnte hinweg haben europäische Politiker brutale Diktatoren, sei es ex-sowjetische, Nahost oder nordafrikanische Staaten unterstützt.
Die europäische Politik hat sich angeeignet, Waffenhandel mit diesen Diktatoren zu führen und sie trotz allem Übel zu tolerieren.
Ihr habt Geld in sie investiert, wenn es um euren eigenen Vorteil ging, sei es aus wirtschaftlichen oder strategischen Gründen, damit ihre Völker nicht aufbegehren und eure Geschäfte und Interessen gesichert werden.

Eine ganze Generation hat sich aber erhoben. Eine Generation, die genug davon hatte und sich nun erhebt, um von Angesicht zu Angesicht mit euch zu verhandeln.
Eine Generation, die euch ebenwürdig sein will, im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir brauchen eure Unterstützung nicht, um ein politisches System zu schaffen.
Wir sind intelligent und stark genug, es selbst hinzukriegen.
Wir wollen nicht, dass ihr uns eure Tugenden aufzwingt und eure Regierungsformen.
Aber wir brauchen euch, indem ihr euch auf die Seite der Revolution und des Volkes stellt und das Militärregime verurteilt und die Waffenlieferungen streicht, die solch eine mächtige und starke Armee hervorgebracht haben, deren Einfluss jenseits des Normalen reicht.

In den letzten zwei Wochen haben sich Bürger zusammengetan, um eine einheitliche Aussage zu treffen. Ihre Botschaft ans Militär lautet: Wir wollen einen Bürgerstaat und eine repräsentative Regierung, ein Ende der Notstandsgesetze und der Militärgerichte.

Sie haben dem Militärrat mögliche Zeitpläne angeboten, damit eine zivile Regierung Mitte 2012 zustande kommt und das Militär wieder in seine Baracken zurückkehrt.
Wir warten auf ihre Antwort, und in der Zwischenzeit leben wir und kämpfen weiter.

Wir leben in einer Zeit, in der die Medien eine machtvolle Rolle spielen. Integrität wird billig verkauft. Wir sehen mit eigenen Augen, wie unsere eigene Geschichte neu geschrieben wird, und zwar nicht im Sinne unserer Erwartungen und Erfahrungen.
Deshalb kommt es darauf an, alternative Geschichten zu erzählen, im Gegenzug zu den offiziellen. Persönliche Geschichten, mittels der Medien, die uns zur Verfügung stehen, ob soziale Medien, Kunst oder sei es auch nur unsere eigene menschliche Stimme.

Die Revolution hält trotz der Schwierigkeiten an.
Es war nie friedlich auf der anderen Seite, auch wenn es die Medien der Welt so wahrhaben wollen.

Die Revolution geht weiter und sie wird siegen, wegen unserer Märtyrer, die nichts weniger verdient haben.
Wegen unseren Verwundeten, und all den Inhaftierten, die es nicht verdienen, dass man sie vergisst.

Und nicht zuletzt, alle Ägypter verdienen nicht weniger als Selbstbestimmung, Freiheit und soziale Gerechtigkeit.


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