Rede von Egon Bahr anlässlich der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises an Daniel Barenboim

  • Pressemitteilung der Firma SPD, 25.10.2011
Pressemitteilung vom: 25.10.2011 von der Firma SPD aus Berlin

Kurzfassung: Anlässlich der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises, mit dem Personen oder Organisationen für besondere Verdienste und großes Engagement für die internationale Verständigung ausgezeichnet und gewürdigt werden, hält der ...

[SPD - 25.10.2011] Rede von Egon Bahr anlässlich der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises an Daniel Barenboim


Anlässlich der Verleihung des 1. Internationalen Willy-Brandt-Preises, mit dem Personen oder Organisationen für besondere Verdienste und großes Engagement für die internationale Verständigung ausgezeichnet und gewürdigt werden, hält der Juryvorsitzende Egon Bahr folgende Rede (Es gilt das gesprochene Wort!):

Dass ich heute in diesem Hause das erste Wort habe und nicht der Vorsitzende der SPD ist für mich eine Freude, die mir noch nie widerfahren ist und außerdem eine Ehre.

Im Namen des SPD-Parteivorstandes begrüße ich Sie alle sehr herzlich zur ersten Preisverleihung des Internationalen Willy-Brandt-Preises.

Er wird jährlich vergeben. Das Ehepaar Schröder und Michael Frenzel sind die großzügigen Stifter. Ihnen einen herzlichen Dank dafür, dass sie sich bereit erklärt haben, auch in den kommenden Jahren das Preisgeld zu stiften.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Jury des Willy-Brandt-Preises bedanken. Sie besteht unter meinem Vorsitz aus Michael Frenzel, Christine Homann-Dennhardt, Miriam Meckel und Eberhard Sandschneider. Sie hat sich einstimmig für die Preisträger entschieden.

Wir wollen auch künftig Persönlichkeiten auszeichnen, die sich im Geiste des ehemaligen Bundeskanzlers und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt für Völkerverständigung und Frieden einsetzen.

Sein Wort: "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist Alles nichts" gilt mehr denn je. Unsere Welt ist in den letzten Jahren unübersichtlicher und multipolarer geworden. Sie öffnet neue Chancen und neue Gefahren.

Wir erleben den Aufstieg neuer Mächte. China, Indien, Brasilien und Südafrika – um nur Einige zu nennen -, beeindrucken durch ihren wirtschaftlichen Aufstieg und eröffnen für Millionen von Menschen die Aussicht, sich aus Armut und von Hunger zu befreien. Diese Länder verlangen nun zu recht, dass ihr wachsendes Gewicht in der Weltinnenpolitik gewürdigt wird und dass sie angemessene Mitsprache bei der Lösung globaler Probleme bekommen.

Mit dem arabischen Frühling ist eine junge Freiheitsbewegung sichtbar geworden, die sich aus den Fesseln alter Machteliten befreien will, ohne schon zu wissen, in welcher Form sie eine stabile Gesellschaft schaffen wird. In jedem dieser Staaten existieren Unterschiede ihrer Geschichte, ihrer Traditionen und Situationen. Sie werden unterschiedliche Strukturen ihrer Ordnungen verlangen. Zunächst sind all jene Lügen gestraft worden, die behauptet haben, der Islam könnte per se nicht mit Demokratie und Pluralität in Einklang stehen. Die Bilder des friedlichen Aufstandes haben einen Zauber ausgelöst, dass scheinbar Unmögliches möglich werden kann, aber zugleich neben den Chancen neue Gefahren und neue Konflikte deutlich macht.

Es wird vom Verhandlungsgeschick in den Vereinten Nationen abhängen, ob die Zwei-Staaten-Regelung für Israel und Palästina eine vielleicht letzte Chance bekommt.

In unserem Teil der Welt haben wir den Fall der Mauer erlebt, mit dem die deutsche und die europäische Teilung überwunden wurden. Das war ein besonderes Geschenk für unser Volk, sicher nicht denkbar ohne den Wandel, den die mutige, umstrittene Politik Willy Brandts der Annäherung an alte Gegner ermöglicht hat. Die Erkenntnis, dass im atomaren Zeitalter nur gemeinsam Sicherheit erreichbar ist, gilt auch weiterhin. Wir wissen das mutige Aufbegehren der Bürgerinnen und Bürger in Polen und in anderen europäischen Staaten zu würdigen, auch in der ehemaligen DDR. 16 Millionen Deutsche haben seither eine neue Option auf ein freieres und besseres Leben erhalten. Europa ist mehrheitlich Mitglied in der Europäischen Union geworden.

Die Erkenntnis breitet sich aus, dass ihre Frieden- und Wohlstand stiftenden Wirkungen für Alle zu kostbar sind, als dass sie durch die Strukturfehler ihrer Organe gefährdet werden dürften. Die Erfahrung der letzten 50 Jahre muss wiederbelebt werden, dass erst durch Übertragung nationaler Souveränitäten neue Gemeinsamkeit und neue Erfolge erreicht worden sind. Nur im Neben- und Miteinander seiner Nationalstaaten kann Europa seine Selbstbestimmung und eine einzigartige Rolle in der multipolaren Welt spielen. Sie sind das Ergebnis und das Ende des bipolaren Systems.

Wir verschließen nicht die Augen vor den Gefährdungen unserer Welt.
1989 hat nicht etwa das Ende der Geschichte stattgefunden, wie ein US-amerikanischer Neo-Konservativer prognostiziert hat. Wir haben neue Kriege erlebt, den Aufstieg von global operierenden Terror-Netzwerken mit ihrer asymmetrischen Kriegsführung. Wir sind mit einer Klimakatastrophe konfrontiert, die zu einer Überlebensfrage der Menschheit wird. Die Folgen – Wanderungsbewegungen, Rohstoff- und Nahrungsmittelknappheit – können zukünftig Kriegsursachen werden, wenn wir keine Konzepte nachhaltiger Zusammenarbeit entwickeln. Die große Erfindung des globalen grenzenlosen digitalen Netzes kann nicht mehr entfunden werden. Es beschert seinen Teilnehmern Fortschritte der Kommunikation und Bequemlichkeiten im täglichen Leben. Aber es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass eine neue Technik nicht auch kriminell, etwa durch Trojaner oder kriegerisch benutzt werden kann. Das nennt man Cyberwar. Diese Gefahren des Netzes sind bisher unbeherrschbar. Mein sehr verehrten Damen und Herren, diese existierenden Herausforderungen werden Menschen verlangen, die beherzt und mit vollem Einsatz für Verständigung und Frieden eintreten. Menschen die bereit sind, als aktive Bürgerinnen und Bürger, als Künstler, als Politiker oder als Analytiker neue Gedanken zu denken, neue Wege einzuschlagen und Brücken über Gräben zu bauen. Menschen, wie unsere heutigen Preisträger Daniel Barenboim und Laila Soliman. Solche Menschen sind es, denen wir mit dem Willy-Brandt-Preis unseren Dank sagen und die wir bitten wollen, mit ihrem Wirken weiter zu machen.


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