Zum Planungsschadensrecht
- Pressemitteilung der Firma Bundesverfassungsgericht, 07.10.2011
Pressemitteilung vom: 07.10.2011 von der Firma Bundesverfassungsgericht aus Karlsruhe
Kurzfassung: Zum Planungsschadensrecht Verfassungsbeschwerde von Grundstückseigentümern gegen die Versagung einer Geldentschädigung wegen Nichtumsetzung eines Bebauungsplans erfolglos Das Planungsschadensrecht nach den §§ 39 ff. Baugesetzbuch (BauGB) ...
[Bundesverfassungsgericht - 07.10.2011] Zum Planungsschadensrecht
Verfassungsbeschwerde von Grundstückseigentümern gegen die Versagung einer Geldentschädigung wegen Nichtumsetzung eines Bebauungsplans erfolglos
Das Planungsschadensrecht nach den §§ 39 ff. Baugesetzbuch (BauGB) regelt, ob und auf welche Weise Vermögensnachteile, die einem Grundstückseigentümer an seinem Grundstück durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan entstehen, auszugleichen sind. Danach kann der Eigentümer, dessen Grundstück infolge einer festgesetzten Nutzungsänderung eine Wertminderung erfährt, eine Geldentschädigung verlangen (§ 42 BauGB).
Bei Vorliegen bestimmter gemeinnütziger Festsetzungen im Sinne des § 40 Abs. 1 BauGB ist der Eigentümer nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB für ihm dadurch entstehende Vermögensnachteile nur nach § 40 BauGB zu entschädigen. Danach kann er von der planenden Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere die Übernahme des Grundstücks gegen eine Geldentschädigung verlangen. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ihm daneben für die Zeit bis zur Umsetzung der Planung bzw. der Übernahme des Grundstücks eine Entschädigung wegen Wertminderung nach § 42 BauGB zusteht.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer zweier Grundstücke in einer baden-württembergischen Stadt, auf denen sich eine privat genutzte Parkanlage mit einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa befindet.
Die Grundstücke waren seit 1939 als Wohngebiet mit Gewerbebetrieben ausgewiesen. Nachdem die Stadt im Jahr 1982 beschlossen hatte, für das Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, erklärten die Beschwerdeführer gegenüber der Stadt ihre Bauabsicht für drei Baukörper mit insgesamt 51 Wohneinheiten. 1987 trat der Bebauungsplan in Kraft. Er weist auf den beiden Grundstücken im Wesentlichen eine öffentliche Grünfläche (Parkanlage) und eine Fläche für den Gemeinbedarf (Kindergarten) aus. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen den Bebauungsplan blieben vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Ihre hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 565/91). Die Stadt hat bislang nichts zur Umsetzung des Bebauungsplans unternommen. Für den Kindergarten besteht derzeit kein Bedarf mehr.
Da die Beschwerdeführer aufgrund des Bebauungsplans ihre Bauabsichten nicht umsetzen konnten und dies weiterhin nicht können, verlangen sie von der Stadt dafür in erster Linie eine Geldentschädigung. Nachdem ihrem Begehren erstinstanzlich dem Grunde nach stattgegeben worden war, wiesen das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof den Entschädigungsantrag zurück. Die hier in Rede stehenden fremdnützigen Festsetzungen im Bebauungsplan richteten sich nach § 40 Abs. 1 BauGB, so dass aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB unter den hier gegebenen Umständen nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs in Betracht komme.
Die Beschwerdeführer sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt. Durch die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB würden die betroffenen Grundstückseigentümer verfassungswidrig gezwungen, entweder ihr Grundstückseigentum aufzugeben, um eine Entschädigung für den Entzug der Baumöglichkeit zu erhalten, oder die ihnen infolge der Umplanung faktisch auferlegte "Veränderungssperre" auf ungewisse Dauer entschädigungslos hinzunehmen.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Die Anwendung und Auslegung der einschlägigen planungsschadensrechtlichen Vorschriften durch die Fachgerichte lassen keine Verletzung von Verfassungsrecht erkennen. Auch die Verfassungswidrigkeit der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Rechtslage kann nicht festgestellt werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 BauGB nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs gewährt werden. Eine anderweitige Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass den Beschwerdeführern die begehrte Geldentschädigung nach § 42 BauGB zuzuerkennen wäre, würde die Grenzen der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten. Ihr steht nicht nur der eindeutige Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 BauGB entgegen, sondern auch der erkennbare Wille des Gesetzgebers. Danach soll im Fall der in § 40 Abs. 1 BauGB aufgeführten fremdnützigen Festsetzungen vermieden werden, dass der Eigentümer das betroffene Gründstück behalten und bis zu dessen endgültiger planmäßiger Verwendung Vermögensnachteile in Geld liquidieren kann.
2. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Bestimmung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB und die damit eine weitergehende Entschädigung versagende Rechtslage gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Eigentümerbefugnisse der Beschwerdeführer durch den geltenden Bebauungsplan deshalb unverhältnismäßig beschränkt werden, weil der Verweis auf den Übernahmeanspruch im Hinblick auf die jahrlange Nichtumsetzung des Bebauungsplans und seiner ungewissen Realisierung keinen angemessenen Ausgleich zu schaffen vermag. Denn mit den neuen Einwendungen gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ist für die Beschwerdeführer grundsätzlich der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten eröffnet, auf den sie sich verweisen lassen müssen.
Dieser Primärrechtsschutz - entweder im Rahmen eines erneuten Normenkontrollverfahrens oder durch eine Inzidentkontrolle der Planfestsetzungen im Bauvorbescheid- oder Baugenehmigungsverfahren - ist weder verfahrensrechtlich ausgeschlossen noch in der Sache aussichtslos.
Die Verwaltungsgerichte werden darüber zu entscheiden haben, ob der Bebauungsplan zwischenzeitlich funktionslos geworden ist, oder - falls dies nicht der Fall ist - ob die beanstandeten Festsetzungen unter den nun gegebenen Bedingungen die Eigentumsbefugnisse der Beschwerdeführer noch verhältnismäßig einschränken. Dabei werden die zeitliche Dimension der Nutzungseinschränkung im Hinblick auf die schon verstrichene Zeit und ihre weiterhin offene Dauer sowie das Fortbestehen der von der Stadt geltend gemachten Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen sein.
Belastet eine Festsetzung im Bebauungsplan auch unter Berücksichtigung der absehbaren zeitlichen Dimension ihrer Umsetzung den Eigentümer ungeachtet seines Übernahmeanspruchs unverhältnismäßig in seinem Grundstückseigentum, kann ein daraus folgender Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nicht durch eine anderweitige, im Gesetz nicht vorgesehene Entschädigungsleistung kompensiert werden. Es hat dann bei dem nach der jeweiligen Verfahrensart vor den Verwaltungsgerichten möglichen Rechtsfolgenausspruch für den festgestellten Verfassungsverstoß zu verbleiben.
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
Postfach 1771
76006 Karlsruhe
Telefonzentrale: 0721/9101-0
Fax: 0721/9101-382
bverfg@bundesverfassungsgericht.de
Verfassungsbeschwerde von Grundstückseigentümern gegen die Versagung einer Geldentschädigung wegen Nichtumsetzung eines Bebauungsplans erfolglos
Das Planungsschadensrecht nach den §§ 39 ff. Baugesetzbuch (BauGB) regelt, ob und auf welche Weise Vermögensnachteile, die einem Grundstückseigentümer an seinem Grundstück durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan entstehen, auszugleichen sind. Danach kann der Eigentümer, dessen Grundstück infolge einer festgesetzten Nutzungsänderung eine Wertminderung erfährt, eine Geldentschädigung verlangen (§ 42 BauGB).
Bei Vorliegen bestimmter gemeinnütziger Festsetzungen im Sinne des § 40 Abs. 1 BauGB ist der Eigentümer nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB für ihm dadurch entstehende Vermögensnachteile nur nach § 40 BauGB zu entschädigen. Danach kann er von der planenden Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere die Übernahme des Grundstücks gegen eine Geldentschädigung verlangen. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ihm daneben für die Zeit bis zur Umsetzung der Planung bzw. der Übernahme des Grundstücks eine Entschädigung wegen Wertminderung nach § 42 BauGB zusteht.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer zweier Grundstücke in einer baden-württembergischen Stadt, auf denen sich eine privat genutzte Parkanlage mit einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa befindet.
Die Grundstücke waren seit 1939 als Wohngebiet mit Gewerbebetrieben ausgewiesen. Nachdem die Stadt im Jahr 1982 beschlossen hatte, für das Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, erklärten die Beschwerdeführer gegenüber der Stadt ihre Bauabsicht für drei Baukörper mit insgesamt 51 Wohneinheiten. 1987 trat der Bebauungsplan in Kraft. Er weist auf den beiden Grundstücken im Wesentlichen eine öffentliche Grünfläche (Parkanlage) und eine Fläche für den Gemeinbedarf (Kindergarten) aus. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen den Bebauungsplan blieben vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Ihre hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 565/91). Die Stadt hat bislang nichts zur Umsetzung des Bebauungsplans unternommen. Für den Kindergarten besteht derzeit kein Bedarf mehr.
Da die Beschwerdeführer aufgrund des Bebauungsplans ihre Bauabsichten nicht umsetzen konnten und dies weiterhin nicht können, verlangen sie von der Stadt dafür in erster Linie eine Geldentschädigung. Nachdem ihrem Begehren erstinstanzlich dem Grunde nach stattgegeben worden war, wiesen das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof den Entschädigungsantrag zurück. Die hier in Rede stehenden fremdnützigen Festsetzungen im Bebauungsplan richteten sich nach § 40 Abs. 1 BauGB, so dass aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB unter den hier gegebenen Umständen nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs in Betracht komme.
Die Beschwerdeführer sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt. Durch die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB würden die betroffenen Grundstückseigentümer verfassungswidrig gezwungen, entweder ihr Grundstückseigentum aufzugeben, um eine Entschädigung für den Entzug der Baumöglichkeit zu erhalten, oder die ihnen infolge der Umplanung faktisch auferlegte "Veränderungssperre" auf ungewisse Dauer entschädigungslos hinzunehmen.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Die Anwendung und Auslegung der einschlägigen planungsschadensrechtlichen Vorschriften durch die Fachgerichte lassen keine Verletzung von Verfassungsrecht erkennen. Auch die Verfassungswidrigkeit der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Rechtslage kann nicht festgestellt werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 BauGB nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs gewährt werden. Eine anderweitige Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass den Beschwerdeführern die begehrte Geldentschädigung nach § 42 BauGB zuzuerkennen wäre, würde die Grenzen der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten. Ihr steht nicht nur der eindeutige Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 BauGB entgegen, sondern auch der erkennbare Wille des Gesetzgebers. Danach soll im Fall der in § 40 Abs. 1 BauGB aufgeführten fremdnützigen Festsetzungen vermieden werden, dass der Eigentümer das betroffene Gründstück behalten und bis zu dessen endgültiger planmäßiger Verwendung Vermögensnachteile in Geld liquidieren kann.
2. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Bestimmung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB und die damit eine weitergehende Entschädigung versagende Rechtslage gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Eigentümerbefugnisse der Beschwerdeführer durch den geltenden Bebauungsplan deshalb unverhältnismäßig beschränkt werden, weil der Verweis auf den Übernahmeanspruch im Hinblick auf die jahrlange Nichtumsetzung des Bebauungsplans und seiner ungewissen Realisierung keinen angemessenen Ausgleich zu schaffen vermag. Denn mit den neuen Einwendungen gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ist für die Beschwerdeführer grundsätzlich der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten eröffnet, auf den sie sich verweisen lassen müssen.
Dieser Primärrechtsschutz - entweder im Rahmen eines erneuten Normenkontrollverfahrens oder durch eine Inzidentkontrolle der Planfestsetzungen im Bauvorbescheid- oder Baugenehmigungsverfahren - ist weder verfahrensrechtlich ausgeschlossen noch in der Sache aussichtslos.
Die Verwaltungsgerichte werden darüber zu entscheiden haben, ob der Bebauungsplan zwischenzeitlich funktionslos geworden ist, oder - falls dies nicht der Fall ist - ob die beanstandeten Festsetzungen unter den nun gegebenen Bedingungen die Eigentumsbefugnisse der Beschwerdeführer noch verhältnismäßig einschränken. Dabei werden die zeitliche Dimension der Nutzungseinschränkung im Hinblick auf die schon verstrichene Zeit und ihre weiterhin offene Dauer sowie das Fortbestehen der von der Stadt geltend gemachten Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen sein.
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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.
Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.
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