Antonia Rados im Interview: Man muss Gaddafi beim Wort nehmen

  • Pressemitteilung der Firma RTL Television, 31.08.2011
Pressemitteilung vom: 31.08.2011 von der Firma RTL Television aus Köln

Kurzfassung: Seit dem 22. August befindet sich Antonia Rados, Korrespondentin und Chefreporterin Ausland der Mediengruppe RTL Deutschland, in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Seither berichtet sie in großem Umfang für die Informationssendungen der ...

[RTL Television - 31.08.2011] Antonia Rados im Interview: Man muss Gaddafi beim Wort nehmen


Seit dem 22. August befindet sich Antonia Rados, Korrespondentin und Chefreporterin Ausland der Mediengruppe RTL Deutschland, in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Seither berichtet sie in großem Umfang für die Informationssendungen der Mediengruppe, insbesondere für RTL und n-tv – anfangs über die erbitterten Kämpfe zwischen den libyschen Rebellen und den Soldaten von Diktator Muammar Gaddafi in der Stadt, nun auch in Kurzreportagen über die Zustände in Tripolis und dem Land, das sich seit sechs Monaten im Bürgerkrieg befindet.

Frau Rados, unter welchen Bedingungen arbeiten Sie in Tripolis?
"Die Bedingungen für die Berichterstattung hier waren in der ersten Woche ein Alptraum. Das Auftreiben von Benzin, das Übernachten, die Sicherheitslage angesichts der Scharfschützen, die Versorgung mit Essen und Wasser, einen Fahrer finden, alles war eine enorme Herausforderung. Erschwerend kam hinzu, dass die Technik bei keinem richtig funktionierte. Die Satellitentelefone waren völlig überlastet, die Störungen gingen zum Teil auch zurück auf die Bombardements der NATO."

Ist die Lage nun, da die Rebellen Tripolis weitestgehend kontrollieren, entspannter?
"Seit ungefähr zwei Tagen ist es besser geworden. Das merkt man schon daran, dass es wieder mehr Verkehr und Autos auf den Straßen gibt. Die Tankstellen machen langsam wieder auf und es gibt mehr Benzin. Das war in der letzten Woche noch ganz anders, als ich auf der abenteuerlichen Herfahrt mangels Benzin plötzlich sogar gezwungen war, Autostop zu machen – mit kugelsicherer Weste und rund 100 Kilogramm schwerer Ausrüstung. Jetzt hat sich die Lage etwas stabilisiert. Es ist nicht mehr so schwierig wie die letzte Woche, als die Kämpfe herrschten und auch wir Journalisten ständig aufpassen mussten, nicht unter Beschuss der Scharfschützen zu geraten."

Woran zeigt sich die einkehrende Normalität noch?
"Immer noch ein Problem ist die Wasser- und Stromversorgung in gewissen Vierteln. Aber die allgemeine Versorgungslage normalisiert sich, Geschäfte sind wieder geöffnet. Vergessen wir nicht, dass Libyen ein reiches Land ist. Allerdings müssen die eingefrorenen Ölgelder jetzt so schnell wie möglich freigegeben werden."

Es gab Meldungen über entführte Journalisten und solche, die tagelang in einem Hotel festgehalten wurden. Wie haben Sie sich da beholfen?
"Wenn man wie ich schon oft hier war, hat man natürlich den Vorteil, auf Kontakte zurückgreifen zu können, Leute die man kennt und die man anruft. Ich kenne hier mehrere Deutsch-Libyer, die ich hier während der Gaddafizeit heimlich getroffen habe. Die sind jetzt quasi das neue Libyen, helfen uns, in dem sie uns Unterkunft gewähren, uns tagelang herum führen, ihr Auto zur Verfügung stellen usw."

Welchen Eindruck haben Sie von den Rebellen?
"Im Moment scheint es mir so, dass es zivilisierter zugeht. Es hat zuletzt keine Plünderungen mehr gegeben und auch nicht diesen Ausdruck der Gewalt, den wir in Bagdad 2003 gesehen haben. Diese junge Rebellenarmee hat mich sehr beeindruckt. Es sind Ingenieure, Medizinstudenten, Taxifahrer, ach, alle Möglichen dabei. Und sie behandeln die Presse momentan gut, auch wenn es noch keine organisierte Informationspolitik gibt."

Sie haben noch im März ein vielbeachtetes Interview mit Muammar Gaddafi geführt und den Diktator dabei ein wenig kennenlernen können. Wie tickt er Ihrer Einschätzung nach in dieser für ihn wohl ausweglosen Situation?
"Ich denke, man muss Gaddafi beim Wort nehmen. Er hat immer gesagt, er wird bis zum Letzten kämpfen und das tut er jetzt auch. Es wird für die Rebellen sehr wichtig sein, dass sie Gaddafi so schnell wie möglich fassen, weil er sich sonst weiter aus dem Untergrund melden und Verunsicherungen verbreiten wird. Für all die Menschen, die 40 Jahre unter einem Diktator gelitten haben, ist es enorm wichtig, dass er tatsächlich vor Gericht kommt und verurteilt wird. Es ist wichtig für die Opfer, ihrem Täter gegenüber zu stehen. Ob das allerdings gelingen wird, wage ich zu bezweifeln, weil Gaddafi wirklich bis zum Äußersten gehen wird. Ich würde nicht ausschließen, dass er sich in dem Moment, indem er umzingelt ist, auch umbringen würde."

Welche Bedeutung hat der vermeintliche Sieg der Rebellen über Tripolis hinaus?
"Gaddafi ist out, weg von der Macht. Selbst wenn er überlebt, überlebt er ohne Macht. Sein Fall ist nicht nur wichtig für Libyen, sondern für die ganze arabische Welt. Sein Festklammern an der Macht hatte alle Revolten, auch die in Syrien und im Jemen blockiert. Sein Fall wird anderen Diktatoren zeigen, dass auch ihre Stunden gezählt sind. Es hat eine richtige Zäsur stattgefunden."

Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind in dem von vielen unterschiedlichen Stammeskulturen geprägten Libyen nach Jahrzehnten der Diktatur kompliziert. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Ausgangslage für ein neues Libyen?
"Genauso wie in Ägypten und in Tunesien ist dies eine Revolution der Jugend. Dabei haben viel Jugendliche ihr Leben gelassen, um für die Freiheit zu kämpfen. Jetzt stehen 18 bis 25 Jährige bei jedem Kontrollposten. Die werden sich diese Revolution nur schwer wegnehmen lassen. Ein Übergang wird überhaupt nicht leicht sein. Aber die Jugend wird festhalten an dem, was sie hier erkämpft hat. Grundsätzlich müssen die Rebellen eine Alternative zum Gaddafiregime aufbauen. Das wird nicht leicht, da er 40 Jahre an der Macht war. Aber der Vorteil ist, dass Libyen viel Öl hat und ein reiches Land mit einer kleinen Bevölkerungsdichte ist. So gesehen hat das Land eine sehr gute Ausgangsposition."

Worauf konzentrieren Sie sich nun, wo Tripolis erobert ist?
"Für Libyen sind dies Tage der Freiheit, aber auch für Reporter. Ich bin seit 30 Jahren immer wieder in dieses Land gefahren und habe nie frei berichten dürfen unter Gaddafi. Nun also ist es das erste Mal, dass ich mit normalen Libyern reden kann ohne Aufpasser. Und sie müssen erstmals keine Angst haben, dass ihnen was geschieht, wenn sie mit mir reden. Das will ich so intensiv wie eben möglich nutzen. Ich werde sogar von Leuten auf der Straße angesprochen. Ein Mann erzählte mir in perfektem Englisch, dass er fünf Monate versteckt gewesen sei. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Schergen von Gaddafi hatten ihn gejagt. Es gibt hier unglaubliche Schicksale und wir versuchen in diesen Tagen, das alles aufzuarbeiten und zu schauen, wie Gaddafi gelebt hat und regiert hat."

An dem Tag, als Sie nach Tripolis gelangten, wurde bekannt, dass Sie mit Ihrer Somalia-Reportage "Unter Piraten" für die renommierten International Emmy Awards nominiert wurden. Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?
"Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut, denn allein die Nominierung ist ja schon eine große Ehre für eine Reporterin."


Rückfragen: Matthias Bolhöfer, RTL Kommunikation, Tel.: 0221/4567 4227


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